07. Hl. Hildegard von Bingen

Hl. Hildegard von Bingen – Äbtissin, Universalgelehrte, Kirchenlehrerin

In einem eigenen Verfahren Hildegard von Bingen (1098-1179) noch einmal heiligzusprechen, hätte sich Rom, so die Meinung vieler gläubiger Christen, sparen können. Denn über Generationen hinweg wird die angesehene Benediktinerin und Universalgelehrte längst als „Beispiel der Heiligkeit“ verehrt. Am 10. Mai 2012 verkündet Papst Benedikt XVI. (2005-13) dennoch: Hildegard von Bingen dürfe nun in der gesamten Weltkirche als Heilige verehrt werden. Der Papst geht Wochen später sogar noch einen Schritt weiter: Er erhebt die hl. Hildegard zur ‚Kirchenlehrerin‘.

Als ‚Kirchenlehrerin‘ bzw. als ‚Kirchlehrer‘ werden Personen bezeichnet, die einen prägenden Einfluss auf die Theologie sowie auf das geistliche Leben der Kirche besitzen. Neben einer Reihe von über 30 heiliggesprochenen Männern finden wir dort die hl. Hildegard wieder zusammen mit drei weiteren großen Frauengestalten der Kirche: Katharina von Siena (1347-80), Teresa von Ávila (1515-82) sowie Thérèse von Lisieux (1873-97).

„Hildegard war“, so Papst Benedikt, „eine Benediktinerin im Herzen des deutschen Mittelalters, sie war eine wahre Lehrerin der Theologie und eine tiefe Kennerin der Naturwissenschaften sowie der Musik … Die Heiligkeit des Lebens und die Tiefe ihrer Lehre macht sie für alle Zeiten aktuell: die Gnade des Heiligen Geistes führte sie zur Erfahrung eines tiefdringenden Verstehens der göttlichen Offenbarung und eines klugen Dialogs mit der Welt, die den stetigen Horizont des Lebens und des Wirkens der Kirche ausmachen.“

Bereits zu ihren Lebzeiten wird Hildegard gepriesen als ‚Prophetissa Teutonica‘, als deutsche Prophetin, als ‚Edelstein Bingens‘ oder auch als ‚Posaune Gottes‘. Voll überschwänglichen Lobes richtet sogar Papst Eugen III. (1145-53), der Hildegards Visionen aus ihren Schriften kennt, ein persönliches Schreiben an die Äbtissin: „Die Scharen der gläubigen Völker, sie brechen aus in Lob über dich, du bist für viele ein Duft des Lebens geworden!“ Die Strahlkraft dieser großen Heiligen setzt sich fort in der Einflussnahme auf die Kirchenpolitik ihrer Zeit, die sie als Frau gewiss ganz anders gestaltet hätte.

Indem Hildegard zur Kirchenlehrerin und damit zur Lehrerin des Glaubens erhoben wird, sind ihre Glaubensvisionen nun in unsere Zeit übertragbar. Dazu zählen ihre umfangreichen Schriften, von denen ihr Werk ‚Scivias‘ – ‚Wisse die Wege‘ zum bedeutsamsten zählt. Es liest sich wie eine Glaubenskunde und beinhaltet viele Aussagen über Gott einschließlich seiner Schöpfung und deren Erlösung durch Jesus Christus.

Bemerkenswert ist ihr medizinisches und naturwissenschaftliches Wissen, welches noch heute in vielen Büchern aufgegriffen wird. Hildegards Naturverbundenheit führt auch zur Anlage eines gut gepflegten Klostergartens, indem heilsame Kräuterpflanzen wachsen. Dieser bildet die Grundlage einer gut sortierten Klosterapotheke, was im 12. Jh. außergewöhnlich vorausschauend war.

Dennoch beklagt die große geistige und geistliche Meisterin ihre leibliche Schwachheit sowie ihr vermeintliches ungebildet sein, wenn sie schreibt: „Ich bin nicht durchtränkt von einer menschlichen Wissenschaft, auch nicht von besonderen Geisteskräften, strotze auch keineswegs von körperlicher Gesundheit, sondern fuße allein auf der Hilfe Gottes. Dem König der Herrlichkeiten hat es gefallen, ein kleines Federchen von der Erde aufzulesen und im Winde Gottes dahinfliegen zu lassen.“

Bezaubernde Bildsprache, die die im rheingauischen Bermersheim als zehntes Kind einer edelfreien Familie geborene Hildegard besonders liebte. Wie die Metapher des Windes macht sie sich ebenso zu eigen die Bildsprache des Lichtes. In einem Brief an den bereits greisen Papst Anastasius IV. (1153-54) schreibt sie: „Das liebende Herz bringt Rettung, wenn das Morgenrot wie der Glanz des beginnenden Sonnenaufgangs sichtbar wird. Was jedoch in neuem Verlangen und neuem Eifer folgt, ist unsagbar.“

Im Lichte Gottes stirbt Hildegard am 17. September 1179 in ihrem von ihr selbst gegründeten Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen. Berichtet wird in ihrer Vita von einer wundersamen Lichterscheinung, die sich in Form eines Kreuzes über ihrem Sterbelager zeigt. Offenbar habe die göttliche Liebe anzeigen wollen, „mit welcher Lichtfülle“, so die Vita, „der Gott des Lebens seine Geliebte Braut im Himmelreich verherrlicht hat.“

Hier auf Erden erhalten bleiben die Faszinationen an Leben und Wirken der hl. Hildegard. Von Idar-Oberstein aus gibt es inzwischen sogar einen ‚Hildegard von Bingen Pilgerwanderweg‘. Auf einer Länge von rund 134 km wandert man auf ihren Spuren, vorbei an verschiedenen Lebensstationen bis hin zu ihrem Schrein in der Wallfahrtskirche St. Hildegard in Rüdesheim-Eibingen. Pilgerinnen und Pilger finden dort einen Vers der hl. Hildegard:

Du verlangst,
die Zahl der Tage
deines sterblichen Lebens wissen zu wollen.
Doch das hat keinen Nutzen.
Gleichwohl stehen deine Tage
im Buch des Lebens –
im Wissen Gottes.

Bild: Hildegard von Bingen empfängt eine göttliche Inspiration und gibt sie an ihren Schreiber, den Mönch Vollmar, weiter, Frontispiz des Liber Scivias aus dem Rupertsberger Codex (um 1180), Tafel 1

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