Hl. Hedwig – Patronin Schlesiens und Brückenbauerin Europas
Ihre Verwandtschaft kann sich sehen lassen: ihr Sohn Heinrich wird als Seliger verehrt; ihre Schwester Agnes war mit König Philipp II. von Frankreich verheiratet; eine weitere Schwester, Gertrud, war verheiratet mit König Andreas II. von Ungarn; deren Tochter ist die hl. Elisabeth von Thüringen, also eine Nichte Hedwigs; Urgroßnichte ist die hl. Elisabeth von Portugal; Hedwigs jüngere Schwester Mechthild wurde Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Kitzingen; Bruder Eckbert war Bischof von Bamberg; ein weiterer Bruder, Berthold, war Patriarch von Aquileja in Italien. Allein diese Personen im Umfeld der hl. Hedwig verdienen Aufmerksamkeit.
Parallel dazu schlägt das Leben der hl. Hedwig (1174-1243) eine tragfähige Brücke zwischen West- und Osteuropa. Zum 750-jährigen Todestag gab die Deutsche Bundespost 1993 eine 100-Pfennig-Briefmarke heraus. Deutsche und polnische Pilgerinnen und Pilger wallfahren noch heute nach Trebnitz, polnisch Trzebnica, wo Hedwig als Patronin Schlesiens verehrt wird. Sie gehört zu jenen großen Gestalten Europas, die unser Abendland bis in die Gegenwart hinein prägen.
Unverständnis kommt in heutiger Zeit auf, wenn Partnerschaften bzw. Ehen fremdbestimmt sind. Im Mittelalter ist das jedoch nicht außergewöhnlich. Weil ihre einflussreiche Familie es so will, kommt Hedwig als zwölfjähriges Mädchen nach Schlesien. Ihre Mutter Agnes von Rochlitz entstammt dem hochadeligen Geschlecht der Wettiner, ihr Vater Berthold IV. gehört als Graf von Tirol, Kärnten und Istrien dem einflussreichen Geschlecht der Meranier an. Verheiratet wird die auf der bayrischen Burg Andechs am Ammersee geborene Hedwig mit dem schlesischen Herzogssohn Heinrich I. Nicht Zuneigung und Liebe ist für das Zustandekommen der Ehe also maßgeblich, sondern politische und wirtschaftliche Absichten.
Hedwig wird auf die Burg Breslau, polnisch Wratislava, gebracht. Diese Festung wird beherrscht durch polnische Piastenherzöge, zu denen auch ihr künftiger Ehemann gehört. Hedwig kommt nicht allein: begleitet wird sie durch eine Anzahl von Dienerinnen sowie Ritter und Geistliche. Bald darauf ziehen Bauern nach, kommen Kaufleute, Händler und Handwerker, die sich auch in anderen größeren Marktorten niederlassen.
Verglichen mit heutigen Einwohnerzahlen ist Schlesien damals ein fast menschenleeres Land. Nur ein Bruchteil der Fläche ist besiedelt. Genügend Raum für Neusiedler, ohne dass Alteingesessene verdrängt werden. Auch nach der Übernahme politischer Herrschaft im Jahre 1201 geht es Herzog Heinrich I. und seiner Ehefrau Hedwig darum, das weite Land wirtschaftlich zu erschließen. Dennoch gerät Hedwig in eine unruhige, angespannte Zeit.
Als neue Landesmutter erlernt Hedwig die polnische Sprache. So kann sie sich mit den Landeskindern in ihrer Muttersprache verständigen. Gleichlaufend dazu fördert sie die Besiedlung aus dem Westen, auch durch Ordensleute. Zur Gründung des ersten von ihr gegründeten Frauenklosters in Schlesien, des Zisterzienserinnenklosters Trebnitz, holt Hedwig eigens Ordensfrauen aus Bayern. Es bedeutet gewiss eine herausfordernde Aufgabe, die verschiedenen Kulturen aus Ost und West einander näher zu bringen, verständnisvoll miteinander umzugehen und untereinander versöhnt zu leben.
Hedwigs Sorge um die Bedürftigen findet Anerkennung. Armenküchen werden eingerichtet, Witwen und Waisen unterstützt, Gefangene erhalten Zuwendungen. Zum Tode Verurteilte finden in ihr eine Fürsprecherin. Ihren Ehemann veranlasst sie dazu, Strafmaßnahmen ersatzweise durch Bautätigkeiten abzugelten, so auch am Klosterneubau Trebnitz. Sieben Kindern schenkt Hedwig das Leben, von denen drei bald nach der Geburt sterben. Ihre Kinder erzieht sie an der Seite ihres tatkräftigen und ehrgeizigen Ehemannes, der so manche politischen Streitigkeiten auszufechten hat. Von seinen Gegnern wird er sogar auf einer entfernten Burg festgesetzt. Zu seiner Befreiung lehnt Hedwig jede Gewaltanwendung ab. Sie reist vielmehr selbst zu den Widersachern und bekommt durch Gespräche und Verhandlungen ihren Ehegatten wieder frei. Hedwig gewinnt im
Laufe der Jahre mehr und mehr an Einfluss und Anerkennung. Neben dem frühen Verlust einiger ihrer Kinder stellen sich weitere bittere Schicksalsschläge ein. Dazu gehört auch der gewaltsame Todesfall ihres Sohnes Heinrich, der nach dem Ableben des Vaters die Regierungsgeschäfte übernommen hatte. Schon bald fallen die Mongolen in Schlesien ein. Wenn diese in der erbitterten Schlacht von Liegnitz (poln. Legnica) 1241 zurückgeschlagen werden können, so fällt doch ihr Sohn als ihr Hoffnungsträger. Beim Bekanntwerden der erschütternden Nachricht läuft seine Mutter Hedwig eigens selber aufs Schlachtfeld, um im Umfeld gefallener Kämpfer ihren entstellten und verstümmelten Sohn liebevoll in ihre Arme zu schließen.
Ohne der klösterlichen Gemeinschaft beizutreten, aber als treue Mitbetende, verbringt Hedwig die letzten Monate ihres Lebens im Kloster der Zisterzienserinnen in Trebnitz. Sie stirbt dort am 14. Oktober 1243. Zwei Tage später wird sie in der Klosterkirche beigesetzt. Der 16. Oktober wird so zu ihrem Gedenk- und Namenstag. Gut zwei Jahrzehnte später wird Hedwig heiliggesprochen. Mit ihr erhält das mitteleuropäische Schlesien das erste Heiligengrab überhaupt.
Aufgrund des aktuellen Angriffskrieges Russland gegen die Ukraine kommen Befürchtungen auf, ob nicht ein neuer Riss Europa heimsucht und Völker in Feindschaft kriegerisch übereinander herfallen. Am Namenstag der hl. Hedwig sind die mahnenden Worte Jesu zu hören: „Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein“ (Mk 10,42.43a).
Mögen in allen europäischen Ländern neue Generationen heranwachsen, bei der gegenseitiges Verstehen, Bereitschaft zu gegenseitiger Versöhnung sowie das Bemühen um einen dauerhaften Frieden, nicht zuletzt zwischen Deutschen und Polen, als schützenswertes Gut angestrebt und erhalten bleibt. In vorbildlicher Weise trug die hl. Hedwig in ihrer Zeit das Ihre dazu bei.
Bild: Die hl. Hedwig Altaraufsatz aus der Kirche von Rusk