09. Hl. Klara

Hl. Klara: Aussteigerin hinein in die Armut Jesu

Als Pilgerort besitzt Assisi noch heute große Anziehungskraft, gerade für junge Leute. Duch die mittelalterlichen Gassen, auf den idyllischen Plätzen und nicht zuletzt in den einladenden Kirchen weht noch heute der geistliche Atem zweier großer Heiligengestalten: der des hl. Franziskus (1181-1226), der weit über die Grenzen unserer Kirche verehrt wird. Mit ihm zusammen der geistliche Atem der hl. Klara (1193-1253), deren Lebens- und Glaubensgeschichte ohne den Mann mit dem ausgeprägten Armutsideal undenkbar ist. Als überzeugende Gestalten christlichen Glaubens steht jede bzw. jeder dennoch ganz für sich.

Franziskus, Sohn einer wohlhabenden Tuchhändlerfamilie, ist nach seiner Bekehrung viel unterwegs. Wir begegnen dem Heiligen an vielen Orten Umbriens. Darüber hinaus finden wir ihn in Marokko, in Santiago de Compostela, im Heiligen Land und natürlich auch in Rom. Klara dagegen verlässt, bis auf wenige Besuche in der Nachbarstadt Perugia, ihre Heimatstadt Assisi nie. Bei ihr käme auch nie der Gedanke auf, in ihrem Leben fehle etwas an menschlichen Erfahrungen oder geistiger Weite. Im Gegenteil: mit vielfältiger Klugheit und besonnener Weisheit prägt sie über Jahrzehnte hinweg ihre klösterliche Gemeinschaft. Ihr religiöses Leben ist von so großer geistlicher Tragweite, dass wenige Tage vor ihrem Heimgang in die Ewigkeit sogar der Bischof von Rom persönlich in ihrem Kloster San Damiano an ihr Sterbelagerherantritt. Von Papst Innozenz IV (1243-54) möchte die Sterbende nur einen Wunsch erfüllt sehen: die päpstliche Bestätigung der von ihr selbst verfasste Ordensregel für Klosterfrauen.

Und tatsächlich: einen Tag vor ihrem Tod hält Klara, überbracht von einem Franziskanerbruder, die päpstliche Bestätigungsurkunde in ihren Händen. Es wird berichtet: „Diese aus Pergament bestehende Urkunde berührt und küsst Klara aus Andacht immer und immer wieder.“ Und weiter heißt es: „Am folgenden Tag ging Klara aus diesem Leben in die Klarheit des ewigen Lichtes, zu ihrem HERRN, ihrem göttlichen Bräutigam.“

Die Ordensregel der Klarissen ist, wie sich die Schwesterngemeinschaft in der Nachfolge der hl. Klara nennt, die erste von einer Frau geschriebene und von einem Papst bestätigte Regel. Unter Berücksichtigung der Gleichstellung in der Kirche gewinnt dieses Dokument eigene Bedeutung. Wie bei den Franziskanern steht im Mittelpunkt der Ordensregel der hl. Klara das Streben nach Armut im Geist des Evangeliums Jesu.

Über ihre Kindheit im adligen Elternhaus der Offreduccio di Bernadino äußert sich Klara kaum. Die Unterlagen ihres Heiligsprechungsprozesses, der unmittelbar nach ihrem Tod eingeleitet wird, weisen jedoch aus, dass dieses Mädchen, gefördert durch ihre Mutter Ortulana, mit allen nur erdenklichen religiösen und weiblichen Tugenden ihrer Zeit ausgestattet wird. Unter Aufsicht ihrer vornehmen Großfamilie wächst sie wohlbehütet heran. Die Verwandtschaft will sie wohl verehelichen, doch vehement widersetzt sich Klara.

Neben ihrem regelmäßigen Gebetsleben fällt auf ihre ausgeprägte Nähe zu den Armen. Klara ist bereit zu geben, sie ist bereit zu verzichten. Im Laufe der Zeit wird für sie daraus eine von innen herausströmende Liebe zur Armut, zur ‚Herrin Armut‘, wie sie es nennt.

In der Nacht nach dem Palmsonntag 1211 flieht Klara unbemerkt aus ihrem Elternhaus. Aus dem Wohlstand flieht sie hinein in die Armut Jesu. Von dem begeisternden Ideal eines Franziskus, von denen sie natürlich längst mitbekommen hat, lässt sie sich anstecken. Klara flieht in die untere Ebene Assisis hin zur etwa 2 km entfernt gelegenen Portiuncula-Kapelle. Ihre Freundin Bona del Guelfuccio stellt zuvor Kontakte her zur Bruderschaft des Franziskus.

Bereits zwei Jahre zuvor ersuchte er in Rom um Anerkennung seiner Ordensgemeinschaft bei Papst Innozenz III. Mitglieder der Bruderschaft begleiten Klara zu jener Kapelle, wo Franziskus auf sie wartet.

In der Portiuncula-Kapelle zieht Klara während einer schlichten Feier ein Bußgewand über, lässt sich ihre Haare scheren und trägt von nun an den Schleier einer Ordensfrau. Von diesem Augenblick an entsagt Klara der Welt und versteht sich in mystischer Weise als Braut Christi. In dieser unvergesslichen Nacht wird ein neuer Orden geboren: der Orden der Klarissen. Noch heute gehört diese Ordensgemeinschaft weltweit zu den ärmsten überhaupt. Deren Sehnsucht zur Armut besitzt ihren Urgrund im Leben Jesu: in seiner Menschwerdung kommt der Sohn Gottes nicht in einem Palast zur Welt, sondern in der Armut des Stalles von Betlehem.

Franziskanerbrüder begleiten Klara noch in derselben Nacht zur nahegelegenen Benediktinerinnenabtei Bastia. Geschützt durch kirchliches Asyl übersteht Klara in den darauffolgenden Tagen wiederholte Versuche der Verwandtschaft, die Entflohene wieder in die Familie zurückzuholen.

Mit dem mutigen Entschluss Klaras entsteht das Unerwartete: ihrem Ausstieg in die Armut schließen sich andere Frauen an, auch Mitglieder ihrer eigenen Familie sowie Verwandtschaft, darunter ihre leiblichen Schwestern Katharina sowie Beatrix und bemerkenswerterweise auch ihre Mutter Ortulana. In wenigen Jahren steigt die Zahl der Klarissen in Assisi an auf über 50
Ordensschwestern.

Ihr äußerst bescheidenes Kloster wird vor den Toren Assisis das kleine Kirchlein San Damiano. Noch heute ein vielbesuchter heiliger Ort, der zum Verweilen und zur Stille einlädt. Wenige Jahre zuvor entdeckt Franziskus als bekehrter junger Mann dieses Kirchlein als verlassene Ruine. Von dem dort angebrachten Kreuz vernimmt er die geheimnisvolle Stimme Christi: „Baue meine Kirche wieder
auf“. Und tatsächlich fügt Franziskus in mühevoller Arbeit Stein auf Stein.

Später wird deutlich: Es kommt nicht auf seine handwerklichen Fähigkeiten an. Vielmehr soll das ‚Geistliche Haus Gottes‘ (vgl. 1 Petr 2,5) neu errichtet werden. Zu seinem geistlichen Aufbau tragen nun die beiden Heiligen Assisis, Franziskus und Klara, wesentlich bei.

Über vier Jahrzehnte lebt Klara zusammen mit ihren Mitschwestern im Geist radikaler Armut im Kloster San Damiano. Franziskanerbrüder unterstützten die Klosterfrauen bei ihren Bettelgängen. Überhaupt müssen die Schwestern stets um ihre eigene Sicherheit besorgt sein. Da weltliche und kirchliche Gewalt in andauerndem Wettstreit liegen, kommen unruhige Zeiten auf. Gefahren lauern
auch durch christenfeindliche Truppen, Sarazenen genannt. Im Mittelmeerraum starten sie gezielte Angriffe. Wenn die hl. Klara mit einer demonstrativ in ihren Händen getragenen Monstranz dargestellt wird, so geht dies zurück auf jene Überlieferung, wonach die Heilige zusammen mit ihren Mitschwestern in ihrer bedrohlichen Lage 1240/41 auf die Kraft der Gegenwart Jesu Christi sowie auf die Kraft des Gebetes vertrauen. Weil diese rettenden Ereignisse nicht allein die Klostergemeinschaft von San Damiano betreffen, sondern alle Einwohner Assisis, wird jährlich am 22. Juni zu Ehren der hl. Klara mit Prozessionen und Gottesdiensten ein großes Erinnerungsfest begangen und gefeiert.

Gezeichnet durch ihre langjährige Krankheit, aber ebenso ermutigt durch den hohen Papstbesuch, zugleich geistlich getröstet durch den Empfang der heiligen Sterbesakramente, geht Klara am 11. August 1253 hinein ins ewige Leben. Die ganze Stadt ist betroffen und trauert. Klaras Tod wirkt wie eine große Erschütterung, alle aber wissen: unter uns lebte eine ‚Heilige‘.

Klaras Leichnam wird am Tag danach in einer großen Prozession in die Stadt geleitet und beigesetzt in der damaligen Kirche San Giorgio. Im Zuge ihrer Heiligsprechung wird mit der Kirche Santa Chiara an gleicher Stelle eine weitaus größere Basilika errichtet und ein neues Klostergebäude angefügt.

Pilgerinnen und Pilger strömen darin seit Jahrhunderten zum Grab der hl. Klara und danken für den großen Reichtum göttlicher Gnade. Am Festtag der hl. Klara, 11. August, hören wir die Worte Jesu (Mt 19,29):„Jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben erben.“ Diese Worte Jesu haben bis heute an Aktualität nichts eingebüßt.

​Bild: Zeitgenössisches Gemälde der heiligen Klara aus dem Kloster San Damiano

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