Hl. Elisabeth von Thüringen: ein Leben voller Hingabe trotz schmerzhafter Umbrüche
Elisabeths Leben ist reich an Umbrüchen. Deren folgenschwere Veränderungen wollen erst einmal ausgehalten werden. Viele resignieren. Andere wie Elisabeth entwickeln in ihren Lebenskrisen neue Energien und wachsen in ihren Widerständen. Indem Elisabeth in ihrem Glauben an Jesus Christus eine reiche Kraftquelle findet, wird sie in ihrem vergleichsweisen kurzen Leben (1207-1231) zu einer überzeugenden Lichtgestalt des Christentums.
Das Mittelalter hat seine eigene Lebenskultur. Eheliche Verbindungen beispielsweise werden in einflussreichen Kreisen durch Vorfahren arrangiert. Das Kalkül der Eltern hat Vorrang gegenüber der Zuneigung und Liebe nachfolgende Generationen. Nicht anders bei Elisabeth. Ihre ungarischen Eltern, der Vater ist König von Ungarn, die Mutter stammt aus der Adelsfamilie von Kärnten-Andechs-Meran, gelten als ehrgeizig. Als vierjähriges Mädchen wird Elisabeth mit großem Gefolge aus ihrer ungarischen Heimat zur Wartburg bei Eisenach gebracht. Mit einem Sohn der thüringischen Landgrafenfamilie soll sie einmal verheiratet werden. Ihre Eltern, die in den nachfolgenden Jahren Opfer von Gewalttaten werden, wird Elisabeth nie wiedersehen.
Auf der Wartburg erlebt Elisabeth eine unbeschwerte Kindheit. Dennoch tritt das Unerwartete ein: Der ihr zugesprochene Bräutigam stirbt. Als Heranwachsende beschäftigt Elisabeth ihr Glaube. Vom beispielhaften Leben Jesu ist sie beeindruckt, ihn will sie mehr und mehr in ihr Leben hineinnehmen. Nicht ausschließlich legendär erscheint daher ein Kirchgang, den die Landgräfin mit der Heranwachsenden hin zur Burgkapelle unternimmt. Vor der Kapellentür hält Elisabeth inne, nimmt ihr wertvolles Krönchen, welches sie standesgemäß trägt, ab und stellt es mit einer tiefen Verbeugung neben sich. Die Landgräfin ist verwundert. Elisabeth fügt jedoch ergänzend hinzu, sie bringe es nicht übers Herz, in der Gegenwart des dornengekrönten Heilandes diesen Schmuck auf ihrem Haupt zu tragen.
Nach dem Tod des ihr zugesprochenen Bräutigams und vor dem Hintergrund ihrer außergewöhnlichen Frömmigkeit kommen Überlegungen auf, die ungarische Königstochter in ein Kloster zu geben. Elisabeth erfährt jedoch das Glück einer Liebesheirat. Als 14-Jährige wird sie mit Ludwig, dem älteren Sohn der Landgrafenfamilie, vermählt. Zusammen mit dem verstorbenen Bruder wuchs sie mit ihm in der Kinderstube der Wartburg auf und hatten sich so bereits liebgewonnen.
In ihrer harmonischen Liebe zu Ludwig schenkt Elisabeth einem Sohn und zwei Töchtern das Leben. Der tiefen Frömmigkeit seiner Ehefrau begegnet der Ehemann eher zurückhaltend. Dennoch hilft Ludwig ihr dabei, den Armen und den Kranken zur Seite zu stehen. Mit seiner Unterstützung gründet Elisabeth am Fuße der Wartburg sogar ein Hospital.
Mit voller Wucht bricht allerding das bittere Schicksal in Elisabeths Leben ein: Vor der Küste Italiens wird ihr geliebter Ehemann, der mit einem Kreuzzugsheer mitziehen wollte, Opfer einer Infektion. Sie ist fassungslos: „Wenn er mir gestorben ist, dann ist mir die Welt gestorben“, soll Elisabeth gesagt haben. Mit seinem Tod verändert sich für Elisabeth tatsächlich ihre Welt. Nicht allein, dass
Elisabeths geliebter Ehepartner nicht mehr da ist. Heftige Streitigkeiten kommen nun auf mit einem weiteren Bruder Ludwigs. Nachdem der Schwager die Regentschaft übernimmt, behält er sogar Elisabeth Witwengut ein.
Elisabeth kann so nicht weiter am Hof leben. Verzweifelt verlässt sie des nachts mit ihren drei Kindern die Wartburg. Doch wer nimmt die besitzlose Witwe auf? Elisabeth ist eine unerwünschte Person, alleinerziehend, Ausländerin, Fremde. Zusammen mit ihren Kindern findet sie vorübergehende Aufnahme bei ihrem Onkel, Bischof von Bamberg. Durch seine Vermittlung erhält sie nun wenigstens Anspruch auf ihr Witwengut. Vermittlungen hinsichtlich einer neuen Vermählung lehnt Elisabeth allerdings ab.
Ihr persönlicher Dienst gilt weiterhin den Armen und Kranken. Die schicksalhafte Tragödie ihres Lebens spitzt sich weiter zu, als sie sich schweren Herzens entschließt, ihre Kinder abzugeben. Ein so tiefgreifender Entschluss ist für Menschen unserer Zeit schwer vermittelbar. In Elisabeths Zeit war es jedoch üblich, Kinder zur ihrer weiteren Erziehung in andere Familien abzugeben. Und hatte Elisabeth es nicht selbst erfahren, als Vierjährige abgegeben worden zu sein?
In der Eisenacher Franziskanerkirche entsagt Elisabeth am Karfreitag 1228 allem weltlichen Besitz und damit auch ihren Kindern. Im Jahr darauf zieht sie nach Marburg. Von ihrem Witwengut erwirbt sie nun ein Gutshof und erbaut darauf ein Hospital. So kann sie nun fortsetzen, was auf der Wartburg begann.
In ihrem neu errichteten Hospital finden Hilfesuchende Aufnahme. Elisabeth ist sich für keine Aufgabe zu schade. Statt feiner Gewänder trägt sie nun das schlichtgraue Gewand einer Hospitalschwester. Sie badet Kranke, reinigt und verbindet Wunden, kocht, wäscht und putzt. Zudem kümmert sie sich um die Aussätzigen – die Elendsten der Armen. Ob ihr Spiritueller Begleiter, der Priester Konrad von Marburg, der aufopferungsvollen Elisabeth eine geistliche Hilfe darstellt? Seine seelsorglichen Methoden sind bis heute umstritten, wenn er ihre Standhaftigkeit wiederholt auf harte Proben stellt. So entzieht er ihr jeden nur denkbaren menschlichen Trost, um sie zur gläubigen Anhänglichkeit allein an Jesus Christus zu führen.
Elisabeth bleibt sich selbst treu und ist dabei glücklich. Trotz aller Widerstände bleibt es ihr Ziel, die Menschen froh zu machen. Die Armen und die Kranken um sie herum fangen an zu singen und fühlen sich wohl. Ihren Gefährtinnen wird Elisabeth zurufen: „Ich habe es euch immer gesagt, wir sollen die Menschen fröhlich machen!“
Körperlich verausgabt stirbt Elisabeth in der Nacht vom 16. auf den 17. November 1231. Der 19. November wird zu ihrem Begräbnistag. Auch an ihren letzten Tagen soll die Aufgezehrte Heiterkeit ausgestrahlt haben. Unmittelbar nach ihrem Heimgang in die Ewigkeit wird sie verehrt wie eine große Heilige.
In allen Umbrüchen und Widerständen: Elisabeth findet neue Lebenskräfte und bleibt sich ihrer Würde bewusst. Ihre innige Liebe zu ihrem Gott des Lebens trägt maßgeblich dazu bei, ihrer Berufung für die Armen und Kranken mit selbstloser Hingabe nachzugehen. Ihr christlicher Glaube macht sie dafür frei und glücklich. In der Gnade Gottes weiß sich Elisabeth geborgen und getragen
durch die Liebe Christi.
Bild: Meister der Gewandstudien: Elisabeth-Triptychon (Ausschnitt), um 1480, in der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe