20. Josephine Butler

Josephine Butler – erste christliche Frauenrechtlerin

Das Wort ‚Heilige‘ wird in mehreren Zusammenhängen verwendet. Katholiken denken vornehmlich an jene durch Rom heiliggesprochenen Personen. Ergänzend dazu werden im Neuen Testament Getaufte bereits als ‚Heilige‘ bezeichnet, so wie Apostel Paulus seine Briefe an die ‚Heiligen‘ in Rom sowie Korinth richtet. Mit ‚Heilig‘ verbindet der Völkerapostel die Vorstellung, dass Getaufte das Merkmal göttlicher Unsterblichkeit in sich tragen und ihrem Leben somit eine neue Ausrichtung geben. Bereits darin sieht Paulus eine Berechtigung, diesem Personenkreis die Bezeichnung ‚Heilige‘ zukommen zu lassen.

Christen wollen es im Leben anderer heller werden lassen und grenzen sich von Personen, die innerweltliche Perspektiven verfolgen, bewusst nicht ab. Im Gegenteil: durch ihren Glauben suchen Christen eine Nähe zu den Menschen, weil Gott selber in Jesus Christus als das ‚Licht der Welt‘ (Joh 8,12) diese Nähe sucht. Christlicher Glaube strebt danach, das persönliche Leben in der Nachfolge Jesu reifen zu lassen bis hin zur Bereitschaft einer sich verschenkenden Liebe zum Nächsten. Unzählige getaufte Frauen und Männer tragen dieses Ideal in sich.

Dazu gehört auch Josephine Butler. Die 1828 im englischen Northumberland geborene und anglikanisch Getaufte gehört zu jenen Frauen, die bewusst ihr Engagement gerade für die im unters ten und mit mannigfaltigen Problemen behafteten Milieu lebenden widmen: den Prostituierten.

Als Josephine Butler am 30. Dezember 1906 stirbt, hat sich in vielerlei Hinsicht das weitgehend schutzlose Leben vieler Frauen zum Besseren hin gewandelt. Josephine kommt aus geordneten Familienverhältnissen. Durch ihre fromme Mutter wird sie christlich erzogen. Hilfreich für Josephines Einstellung zum Kampf gegen die Unterdrückung der Frau ist die aus ihrer eigenen Verwandtschaft stammende Tante Margareta. In ihr entdeckt sie ein nachahmenswertes Vorbild für feministisch orientiertes Handeln.

Unterstützung findet Josephine zudem durch ihren Ehemann, den anglikanischen Priester und Erzieher Georg Butler. Vier Kinder gehen aus dieser Ehe hervor. Als Ehefrau und Mutter entdeckt sie ihre ehrenamtliche Aufgabe in der Fürsorge sowie in der Armenpflege. So bekommt sie es mit der aussichtslosen Lebenswelt der Prostituierten zu tun, die sich als mittellose und ausgenutzte Frauen in einer äußerst beklagenswerten Lage befinden. Josephine hilft ihnen, auch indem sie ihnen Zufluchtsmöglichkeiten verschafft.

Welche Frau, so Josephines Überlegung, geht freiwillig einem so verrufenen Gewerbe nach? Nach ihrem Ermessen landet eine Frau dort nur dann, wenn äußere Lebensumstände es mit sich bringen und eine verführte bzw. bedrängte Frau sich als hilfloses Opfer wiederfindet.

Die Frauenrechtlerin kämpft gegen nicht nachvollziehbare Erlasse. Viele davon haben das Ziel, Prostituierte von vornherein zu diskriminieren. Durch gesundheitliche Kontrollen gegen die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten werden paradoxerweise weniger die Männer, sondern weitaus mehr die Frauen verantwortlich gemacht. Vehement geht Josephine Butler gegen eine offensichtliche Doppelmoral vor mit dem Ergebnis: viele unzumutbare und unverständliche Erlasse werden anfangs suspendiert und schließlich sogar vollständig aufgehoben.

Die Frauenrechtlerin setzt sich zudem gegen jeglichen Menschenhandel, der bis heute hauptsächlich ein Frauenhandel ist, ein. Durch ihre Initiative wird das Ehemündigkeitsalter in Großbritannien von 13 auf 16 Jahre her aufgesetzt. Als Anhängerin der Frauenbewegung verfolgt sie das Ziel, jeder Frau ihre von Gott empfangene Würde zurückzugeben. Angeregt durch Initiativen Josephine Butlers werden in der britischen Gesellschaft nun Gewohnheiten hinterfragt, die öffentlich zuvor nie thematisiert bzw. diskutiert werden.

Als fromme Christin und feministische Bibelauslegerin hat Josephine Butler verinnerlicht, wie Jesus von Nazareth mit Prostituierten bzw. Dirnen umgeht: „Die Zöllner und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr!“ (Mt 21,31). Unvermittelt direkt richtet Jesus diese klaren Worte an die vermeintlich Frommen und Superfrommen seiner Zeit, die nicht glauben wollen, dass mit dem Kommen des Menschensohnes das Reich Gottes tatsächlich angebrochen sei. Nicht den Pharisäern, sondern den Dirnen traut Jesus mehr zu an aufrichtigem Glauben. Für Jesus sind Dirnen erbarmungswürdige Geschöpfe, die mindestens ebenso erlösungsbedürftig sind wie alle anderen Menschen auf der Erde auch.

Seit geraumer Zeit befasst sich die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) offen mit dem Thema Prostitution. Große Teile der in der Prostitution tätigen Personen sind weiblich. Der Frauenverband betont den Bezug zu christlichen Werten, denen zufolge die Sexualität innigster Ausdruck ist von Beziehung, Sympathie und Liebe. Dass christliche Wertvorstellungen in Bezug auf ausgeübter Sexualität nicht von allen geteilt werden, erkennt die kfd an. Daher verurteilt die kfd auch nicht. Vielmehr begegnet sie jenen Frauen wertschätzend, die, aus welchen persönlichen Beweggründen auch immer, Prostitution als mögliche Form des Gelderwerbs betrachten.

Als erste christliche Frauenrechtlerin setzt Josephine Butler neue Maßstäbe – motiviert durch den Geist des Evangeliums Jesu. Dieser der Anglikanischen Kirche angehörenden mutigen Frau, die als öffentliche Rednerin keinerlei Erfahrung besitzt, sich aber dennoch couragiert und öffentlichkeitswirksam für die unangreifbare Würde der Frau einsetzt, wird Rom keinen Heiligsprechungsprozess zuteilwerden lassen können.

Dennoch gehört sie als Getaufte in den Vorstellungen des Apostels Paulus zur großen Gemeinschaft der Heiligen dazu. Christus selber wird Josephine Butler längst selig- bzw. heiliggesprochen haben. Ihr Name wird verzeichnet sein im „Buch des ewigen Lebens“ (vgl. Offb 20,12).

Bild: Josephine Butler, 1876

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