18. Friederike Fliedner

Friederike Fliedner – Vorkämpferin der Diakonie

Zahlreiche Einrichtungen der Diakonie tragen noch heute den Namen dieser starken und mutigen Frau. Wer ist sie, die im Alter von nur 42 Jahren in Kaiserswerth, heute Stadtteil von Düsseldorf, bei der Geburt ihres elften Kindes am 22. April 1842 verstirbt? Zusammen mit ihrem zu früh geborenen Kind ist sie auf dem Kaiserswerther Friedhof beigesetzt.

Als Friederike Münster, so ihr Geburtsname, im Jahr 1800 als ältestes von sieben Kindern im hessischen Braunfels geboren wird, arbeiten die meisten Menschen noch in der Landwirtschaft oder in Handwerksbetrieben. Die Industrialisierung steht noch in den Anfängen. Dennoch gibt es durch politische und gesellschaftliche Umbrüche viel Kummer und Not, nicht zuletzt unter den Frauen.

Friederikes Mutter ist Kammerzofe in der Residenz der Fürsten von Solms-Braunfels. Ihr Vater, der aus bildungsfernen Verhältnissen stammt, hat es immerhin zum Lehrer gebracht. Mit dem Tod der Mutter übernimmt die 16-Jährige den großen Haushalt. Diesen führt sie für ihre kleinen Geschwister weiter, auch nachdem ihr Vater erneut heiratet. Mit 26 Jahren macht Frederike eine Ausbildung zur Lehrerin und arbeitet als Erzieherin für, wie es damals hieß, verwahrloste Mädchen.

In dieser Zeit entsteht eine erste Kontaktaufnahme durch ihren späteren Ehemann Theodor. Diese erfolgt betont sachlich. Per Briefpost hält er um ihre Hand an. Anerkennend beobachtet der in Kaiserswerth tätige ev.-luth. Pfarrer sowie Gründer und Sekretär der Rheinisch-Westphälischen Gefängnisgesellschaft das engagierte Wirken Friederikes.

In seinem Antragsbrief stellt Theodor allerdings sogleich die Bedingungen für die Ehe: Friederike soll ihn als „Herr im Haus“ akzeptieren sowie seinen Einsatz für die Rheinische Gefängnisgesellschaft. Seine Erwartungshaltung ist groß. Er setzt darauf, dass seine künftige Ehefrau ihn in seiner umfangreichen Tätigkeit bedingungslos unterstützt.

In ihrer ebenfalls sachlich formulierten Antwort willigt Friederike schließlich ein. April 1828 läuten in Oberbiel, heute Stadt Solms, die Hochzeitsglocken und Friederike zieht zu ihrem Ehemann in das Pfarrhaus Kaiserswerth. Um Mittel für seine Hilfsprojekte zu sammeln, ist Theodor viel unterwegs. Friederike schenkt elf Kindern das Leben, von denen aber nur drei das Erwachsenenalter erreichen. Für die Ehefrau und Mutter ist es schwer, bei allen familiären Belastungen zugleich das Werk ihres Mannes zu unterstützen.

1833 starten Fliedners ein gemeinsames Projekt. Sie gründen ein Asyl für entlassene weibliche Strafgefangene. Diese Einrichtung wird zum Zufluchtsort für bedrängte, wohnungslose Frauen. Diese Maßnahme kann heutzutage eingeordnet werden als Beginn einer Resozialisierung. Friederike Fliedner erweist sich dabei als Pionierin, mit Hilfe von Bildungsmaßnahmen vielen benachteiligten Frauen einen Weg zurück in die Gesellschaft zu ermöglichen. Dieses Asyl in Kaiserswerth einschließlich einer Kleinkinderschule wird zur Vorläufereinrichtungen der 1836 gegründeten Diakonissenanstalt.

Viele der aus Gefangenschaft entlassenen Frauen sind unverheiratet. Friederike Fliedner setzt bewusst alles daran, auch ledigen Frauen eine gesellschaftliche Anerkennung zukommen zu lassen. Neben der Versorgung ihres Pfarrhaushaltes übernimmt Friederike Fliedner nun auch die Leitung der Diakonissenanstalt. Als gläubige Christin entdeckt sie ihre Berufung, die Lebensumstände benachteiligter Frauen zu verbessern.

Unterstützt wird sie durch Ehemann Theodor, der in seinem Wirken ebenfalls viel Anerkennung erfährt. Bei aufkommenden Spannungen hinsichtlich Führungsaufgaben steht er ganz auf der Seite seiner Frau. Ein egozentrischer Anstaltsarzt beispielsweise wollte sich nichts sagen lassen, schon gar nicht von einer Frau. Daraufhin erlässt ihr Ehemann klare Anweisungen, mit der Kompetenzen und Aufgaben klar geregelt sind. Die Vorsteherin ist danach verantwortlich für die personelle und wirtschaftliche Leitung des Mutterhauses. Zugleich ist sie Erzieherin und geistliche Mutter für die rasch wachsende Zahl eintretender Diakonissinnen.

Sie stehen Anfang des 19. Jahrhunderts noch ganz am Anfang ihrer Wirkungsgeschichte. In Kaiserswerth haben sie ihren eigentlichen Ursprung. Es ist das große Verdienst von Friederike Fliedner, mit dem aufkommenden Industriezeitalter gerade alleinstehenden Frauen eine hoffnungsvolle Lebensperspektive zu verschaffen. Dank ihres unermüdlichen und entschlossenen Einsatzes verbessert sich das Lebensschicksal vieler gefährdeter Frauen.

Friederike Fliedner gehört innerhalb der ev.-luth. Kirche zu den großen Gestalten der Diakonie. Sie richtete ihr Leben an den Worten Jesu aus: „Was ihr für einen meiner geringsten Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).

Bild: Friederike Fliedner. Zeichnung von Hans Junker, um 1954, Foto: Hans Junker. (Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth)

Vorheriger Beitrag
16. Anna Maria van Schurmann
Nächster Beitrag
20. Josephine Butler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.