Hl. Anna: Mutter Marias und Großmutter Jesu
Anna als Name ist auch heute sehr beliebt. Kaum jemand, der sich nicht an eine nahestehende Frau mit Namen Anna, Anne oder Annette erinnert. Auch in den erweiterten Namen Annegret, Anneliese und Annemarie ist der schöne Name Anna, der so viel bedeutet wie „Gott ist gnädig“, enthalten.
Dem Namen Anna begegnen wir im „Protoevangelium (= Vorevangelium) des Jakobus“, einer alten Literatur aus dem 2. Jh. mit jüdischer bzw. christlicher Herkunft. Aus den apokryphen (= verborgenen) Evangelien, wie sie auch benannt werden, erfahren wir, dass Anna und ihr Ehemann Joachim bis ins hohe Alter noch immer kinderlos geblieben sind. Lebendig bleibt jedoch ihre Sehnsucht auf Nachkommenschaft. Endlich ist es soweit: Anna und Joachim freuen sich, da ihnen die Geburt eines Kindes prophezeit wird. Anna schenkt einer Tochter das Leben und gibt ihr den Namen „Maria“. Anlässlich ihres ersten Geburtstages laden Anna und Joachim als Zeichen des Dankes zu einem großen Festmahl ein. Einem Gelübde folgend, übergeben die Eltern zwei Jahre später ihre Tochter in den Dienst des Tempels.
Daran erinnert noch heute der Gedenktag „Unsere Liebe Frau in Jerusalem“ (21. Nov.). Früher trug dieser Tag die Bezeichnung „Mariä Tempelgang“. Durch ihr bedingungsloses Ja zum Willen Gottes wird Maria – wie in einer Metapher – für ihren Sohn Jesus Christus tatsächlich zu einem „Lebendigen Tempel“ (vgl. 2 Kor 6,16).
Ob Anna ihr Enkelkind Jesus noch persönlich erlebt, bleibt ungewiss. Mit der Kindheitsgeschichte ihrer Tochter Maria wird es still um sie. Die Überlieferung geht jedoch davon aus, dass Anna in Jerusalem stirbt und dort beigesetzt wird.
Die nach ihr benannte St. Anna-Basilika in Jerusalem zieht auch in heutiger Zeit viele Pilgerströme an. Mit ihrer erhabenen Architektur und ihrer einzigartigen Akustik gehört sie zu den schönsten erhaltenen romanischen Kirchen der Heiligen Stadt. Errichtet wurde das Gotteshaus im 12. Jh. neben dem Bethesda-Teich. Dort vermutete man auch die Wohnung von Anna und Joachim. Naheliegend, wenn dieser Ort auch als der Geburtsort der Gottesmutter Maria betrachtet wird.
Bemerkenswert ist die im Innern der Kirche aufgestellte Marmorstatue. Mutter Anna, sitzend dargestellt, ihr zur Seite stehend, durch einen Arm der Mutter feinfühlend gehalten, ihre heranwachsende Tochter Maria. Enge Vertrautheit geht von dieser Darstellung aus. Zugleich ist es ein Moment der Unterweisung, denn auf dem Schoß der Mutter liegt eine aufgeschlagene Schriftrolle. Mit den Fingern ihrer Hand weist Anna hin auf eine äußerst wichtige Bibelstelle des Alten Bundes: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben“ (Dt 6,5). In dieser gelungenen Mutter-Tochter-Beziehung finden sich alle wieder, die über ein gelingendes Beziehungsverhältnis zweier Generationen nachdenken.
Seit dem 14. Jh. kennt die christliche Kunstgeschichte sogar die Darstellung von drei Generationen: genannt „Anna selbdritt“. „Selbdritt“ steht für „zu dritt“: Anna gemeinsam mit Maria sowie ihrem Sohn Jesus. Lange Zeit findet diese Dreiergruppe als frommes Andachtsbild besondere Würdigung, da Großfamilien darin ein hoffnungsvolles Mitempfinden für ihre verschiedensten Anliegen entdecken.
Wie groß die Verehrung der hl. Anna heranwächst, zeigen die zahlreich nach ihr benannten Anna-Berge sowie die vielen ihr gewidmeten Kirchen und Kapellen. Da der Festtag der hl. Anna in den Hochsommer fällt, vermischen sich nicht selten besinnliche Wallfahrten mit volkstümlichen und fröhlichen Feierlichkeiten.
Hinter der Verehrung der hl. Anna, der Oma Jesu, verbirgt sich eine wohltuende Einsicht: Gottes Gegenwart in unserer Welt hat viel mit Begegnung und Beziehung zu tun. Da gehört die Familie einschließlich Großfamilie wie selbstverständlich mit dazu.