Madeleine Barot (1909-95): Kämpferin für Jüdinnen und Juden
Niemand darf wegschauen, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen und oder gar getötet werden. Diese Mahnung gilt nicht erst seit dem terroristischen Überfall der Hamas am 07. Oktober 2023. Um das Leben von Jüdinnen und Juden zu retten, kämpften schon während der Zeit des Nationalsozialismus willensstarke Frauen. Zu ihnen gehört Madeleine Barot. Als Protestantin drängt sie der Geist christlicher Nächstenliebe.
Als Tochter einer Lehrerfamilie 1909 im zentralfranzösischen Châteauroux geboren, besucht sie in Clermont-Ferrand und Versailles die Schule und studiert anschließend an der Pariser Sorbonne Geschichtswissenschaften. Bei ihrem Abschluss interessiert sie sich für das Archivwesen und wird schließlich Archivarin an der École Française in Rom, einer in der italienischen Hauptstadt ansässigen französischen Forschungseinrichtung.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges kommt Madeleine Barot nach Frankreich zurück und übernimmt das Generalsekretariat der „Cimade“, ein ökumenischer Dienst für Flüchtende und Evakuierte. Denn durch den Einmarsch deutscher Truppen wurden viele Menschen aus dem Gebiet Elsass-Lothringen vertrieben. Ihre volle Energie widmet sie der Hilfe für Menschen in den Internierungslagern, insbesondere für das Lager in Camp de Gurs – nördlich der Pyrenäen. Allein hier lebten an die 40 Tsd. unter unmenschlichen Bedingungen festgesetzte Ausländer, darunter viele Juden.
Sie teilt zusammen mit anderen Helferinnen und Helfern der „Cimade“ das Leben der in notdürftigen Baracken untergebrachten Geflüchteten. Die meisten leiden an Unterernährung. Zudem leben sie ständig in Angst, an den NS-Staat ausgeliefert zu werden. Daher organisiert Madeleine Barot Fluchtwege für die am meisten gefährdeten Jüdinnen und Juden, vermittelt Verstecke und versorgt verfolgte Personen mit gefälschten Papieren.
Die engagierte Christin arbeitet auf allen Ebenen gegen die Verfolgung der Juden, dazu gehört auch ihr geistiger Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Mit einer Gruppe von etwa 15 Personen beteiligt sie sich 1941 an der Abfassung der 8 Thesen von Pomeyrol (Ortschaft ca. 80 km nordwestlich von Marseille), „um zu suchen, was die Kirche der Welt heute sagen muss“, wie es in dem Dokument heißt. Diese Thesen knüpfen an die aus Deutschland kommende „Theologische Erklärung von Barmen“ (1934) an. Sie enthalten als Kernsatz, dass Jesus Christus allein das eine Wort Gottes sei, darum hätten Christen ihm allein und keinen anderen Mächten ihrer Gegenwart zu vertrauen und zu gehorchen.
Allerdings führen die Thesen von Pomeyrol gedanklich weiter, da sie ausdrücklich den Antisemitismus unzweideutig verurteilen: So wird „feierlicher Protest erhoben gegen jede Gesetzgebung, die Juden aus den menschlichen Gemeinschaften ausschließt.“
Nach der Zeit des Nationalsozialismus wirkt Madeleine Barot im öffentlichen Leben weiter und sorgt sich in Schwarzafrika, Madagaskar und Südamerika im Zuge der Entkolonisierung für eine zunehmende Gleichstellung von Mann und Frau in Gesellschaft und Kirche. Zudem arbeitet sie an verantwortlicher Stelle mit an einer Aktion der Christen zur Abschaffung der Folter.
Unvergessen jedoch bleibt ihr Einsatz für unzählige Jüdinnen und Juden. Die „Nationale Israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem“ würdigt ihren vorbildlichen Einsatz und ehrt sie im Jahr 1980 mit dem Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“. Madeleine Barot stirbt am 28. Dezember 1995 in Paris.
„Nie wieder ist jetzt!“ Dieser aktuelle Ruf ab dem 07. Oktober 2023 gegen Hass und Hetze können sich Christen nicht genug zu eigen machen. Indem wir uns erinnern an Madeleine Barot, der eine „unbezähmbare Energie“ bescheinigt wurde, und sie aus christlichen Beweggründen alle Tatkräfte mutig aufbrachte, Jüdinnen und Juden entschieden zu schützen, gilt ihr unsere ausdrückliche Anerkennung und Würdigung. Ihr Wirken als „Gerechte“ bleibt im Buch des Lebens eingetragen.
Foto: Madeleine Barot © Réforme