Bei euch aber soll es nicht so sein!

Predigt: Mk 10,35-45 – Bei euch aber soll es nicht so sein!
29. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B
gehalten: So., 20. Okt. 2024
Abtei Heilig Kreuz, Kloster Herstelle

Liebe Schwestern und Brüder!

„Bei euch aber soll es nicht so sein“ (Mk 10,43). Solche Worte Jesu bleiben als Mahnung hängen. Wenn die Geschichte der Menschheit eine Geschichte der Unterdrückungen und Freiheitsberaubungen ist, dann macht als Freunde Jesu bei diesen Ungerechtigkeiten nicht mit, steuert dagegen.

Während eines Schriftgespräches über diese Bibelstelle stellte eine Teilnehmerin die Behauptung auf: „Die Worte Jesu vom Herrschen und vom Dienen könnten auch übertragen werden auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau!“

Ich zögerte anfangs, weil das Verhältnis zwischen Mann und Frau äußerst komplex ist und nicht einfach auf Strukturmuster wie Herrschen und Dienen heruntergebrochen werden kann. Andererseits: würde man diese Elemente weglassen, würde etwas sehr Wichtiges fehlen.

Die Gesprächsteilnehmerin brachte sofort ein brisantes Stichwort ein: „Afghanistan!“. Ein ganz schlimmes Beispiel. Sie wissen selber: Frauen haben dort nichts zu sagen, erst recht nicht in der Öffentlichkeit. Männer sorgen dafür, dass Frauen keine Bildung, keine Ausbildung erhalten. Frauen sind im öffentlichen Leben völlig unsichtbar, kommen gar nicht vor. Was macht das mit den Frauen, was macht das mit den Mädchen?

Bei uns ringen Frauen um Gleichstellung, machen auf ihre Situation aufmerksam. Eine gelungene und bewährte kirchliche Form: der Weltgebetstag, veranstaltet stets Anfang März, zeitlich in der Nähe des Weltfrauentages jeweils am 08. März, besitzt dieser Weltgebetstag eine alte, fast 150 Jahre alte ökumenische Tradition. Diese Gottesdienste, immer sehr ansprechend gestaltet, sorgfältig vorbereitet und feinfühlig durchgeführt. Gerade dort, wo die Rechte von Frauen bedroht sind, ja gar nicht zur Geltung kommen, machen sich Frauen des Christentums weltweit stark für die Anliegen von Frauen und Mädchen.

Im Mittelpunkt in diesem Jahr: Palästina. Es verschlägt einem die Sprache, was Frauen in dieser krisengeschüttelten Region widerfährt. In den Gedanken und Gebeten dieses Gottesdienstes ging es natürlich um Frieden und Schutz vor Gewalt und Willkür. Selbstbestimmbar ist für eine Frau und für ein Mädchen dort gar nichts. Diese bittere Wirklichkeit kann man auf viele andere Krisenregionen der Welt übertragen. Die am meisten Leidtragenden in allen Krisenregionen sind – zusammen mit ihren Kindern – die Frauen.

Die hl. Teresa von Avila, deren Gedenktag wir in der vergangenen Woche begehen durften, richtete an Jesus einmal sehr schöne Gedanken. Die bekannte Ordensfrau und Mystikerin erlebte selber auf schikanierende Weise die Unterdrückung der Frau. Teresa schreibt: „Als du, geliebter Jesus, auf dieser Welt warst, bist du den Frauen mit großem Wohlwollen begegnet. Du hast bei ihnen größere Liebe und mehr Glauben gefunden als bei Männern. Wenn ich unsere Welt von heute sehe“, so schreibt die hl. Teresa weiter, „dann finde ich es nicht gerecht, dass Menschen mit einem tugendhaften und starken Gemüt verachtet werden, einzig und allein, weil sie Frauen sind.“

Durch männliche Vertreter der Kirche erfuhr die hl. Teresa viel Ausgrenzung und Bevormundung. Bei ihren vielen Negativerfahrungen wäre die hl. Teresa noch nicht einmal überrascht, wenn sie in diesen Tagen auf die Weltsynode in Rom blicken würde und unter den vielen Beteiligten nur einen minimalen Prozentsatz an Frauen ausmacht. Was können denn diese wenigen Frauen bewirken? Auch heute bleibt Frauen nichts anderes übrig, wenigstens erzählen zu dürfen, wo und wie sie im Bereich der Kirche auch noch heute gekränkt werden.

„Bei euch aber soll es nicht so sein.“ Jesus ermahnt nicht nur, sondern gibt selbst ein vorbildliches Beispiel des sich Zurücknehmens. Der Sohn Gottes wird für uns, wie beispielhaft im Abendmahlssaal während der Fußwaschung, zum Dienenden.

Im genannten Schriftgespräch, wo es um die Zebedäussöhne Jakobus und Johannes mit ihrem ehrgeizigen Streben nach Anerkennung und Karrieredenken geht, gab eine weitere Gesprächsteilnehmerin den Hinweis, in den Evangelien mal auf die Frauen überhaupt zu achten. Denn im Umfeld Jesu gab es auch zahlreiche Frauen. Sie fühlten sich in seiner Umgebung offenbar wohl, nicht allein, weil Jesus kein Macho war. Jesus vermittelte ihnen vielmehr das Empfinden, wirklich ebenbürtig zu sein, dazuzugehören – auch in der Verkündigung, im apostolischen Wirken.

So beauftragt Jesus Maria von Magdala. Jesus beauftragt sie, jene Nachricht schnellstmöglich weiterzutragen, die die Sensationellste ist, die je unter dem Himmelverkündet wurde: Jesus lebt! „Ich habe den Herrn gesehen!“ (Joh 20,17-18).

Maria von Magdala, Apostelin aller Apostel, wird von Jesus beauftragt, „alles zu berichten, was er ihr gesagt hatte“ (Joh 20,18) – ohne Bevormundung, ohne Auflagen. Jesus beauftragt sie zur Verkündigung der wichtigsten Predigt in der Menschheitsgeschichte überhaupt. Die Botschaft des neuen Lebens muss wei-tergetragen werden, weit in die Welt hinaus.

Da ist nichts mehr draufzusetzen. Mögen es alle Gläubigen in unserer Zeit begreifen, nicht zuletzt die Männer! Und mögen auch sie die Mahnung Jesu zu mehr Partnerschaftlichkeit und Geschwisterlichkeit annehmen. Denn allen, die die Balance zwischen Herrschen und Dienen in eine Schieflage geraten lassen und ein Herrschaftsdenken überhandnimmt, ruft Jesus zu: „Bei euch aber soll es nicht so sein!“

Bild: Kloster Herstelle, 37679 Beverungen

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