26. Dorothy Day

DOROTHY DAY – Christusnachfolge – radikal

Als die Aktivistin am 29. November 1980 in ihrer Geburtsstadt New York verstirbt, wird übereinstimmend festgestellt: Dorothy Day sei die einflussreichste, interessanteste und signifikanteste Figur in der Geschichte der Katholischen Kirche der Vereinigten Staaten. Kurze Zeit später bringt Rom sogar einen Seligsprechungsprozess auf den Weg. Auch Papst Franziskus würdigt Dorothy Day als großartige Zeugin des Glaubens, der Hoffnung und der Nächstenliebe des 20. Jahrhunderts.

Große Worte für eine Frau, die bei uns noch wenig bekannt ist. Dorothee Sölle (1929-2003) zumindest entdeckt die Frauenrechtlerin frühzeitig. Die evangelische Theologin sieht in Dorothy Day „eine junge Journalistin, die äußerst klar denkt und fühlt und die so lebendig ist, dass alles, was sie anfasst, Leben gewinnt“.

Dorothy Day kommt am 08. November 1897 in Brooklyn zur Welt. Weiteren vier Geschwisterkindern wird ihre Mutter das Leben schenken. Ihr Vater ist Sportjournalist. In ihrer Kinder- und Jugendzeit zeigt Dorothy geistliches Interesse, liest viel in der Bibel und lässt sich mit 14 Jahren in der Episkopalen Kirche taufen. Zur Kirche als Institution ergeben sich jedoch ihrerseits wenig Berührungspunkte. Im Gegenteil: während ihrer Studentenzeit entwickelt sie mehr und mehr atheistische Züge und lehnt, da sie inzwischen einen radikaleren Weg findet, das Christentum ab. Auch ihr Studium bricht sie ab und arbeitet als Journalistin bei mehreren als radikal geltenden Zeitungen. Neben Künstlerinnen und Intellektuellen sind ihre Freundinnen vornehmlich Kommunistinnen und Anarchistinnen, überzeugt davon, Religion sei Opium für das Volk.

Freigeistiger Stil prägt Dorothys Leben. Mit ihren Visionen, eine sozialistische Welt mitaufbauen zu helfen, nimmt sie an Demonstrationen teil. Als Kämpferin für das Frauenwahlrecht wird sie 1917 in der Nähe des Weißen Hauses verhaftet. Haftstrafen wird Dorothy Day in ihrem Leben wiederholt antreten müssen, diese erste dauert immerhin 15 Tage. Während dieser Zeit im Gefängnis erhält sie als einzige Lektüre die Bibel. Indem sie diese zur Hand nimmt, entdeckt sie ihre Liebe zur Heiligen Schrift wieder neu, es wächst eine religiöse Sehnsucht.

Unabhängig davon führt Dorothy Day das Leben einer linken Intellektuellen, die sich in ihren Vorstellungswelten durch keine Regeln und Normen einengen lassen möchte, weiter. In diese Zeit fällt auch eine von ihr bewusst gewollte Abtreibung. Diese wird sie später bezeichnen als „die größte Tragödie ihres Lebens“.

Mit dem Anarchisten Forster Batterham ergibt sich 1926 eine neue Beziehung. Dorothy liebt ihn sehr und wird erneut schwanger. Die Erfahrung einer, wie sie es nennt, „natürlichen Fröhlichkeit“ während der Schwangerschaft lässt ihr Herz nun endgültig zu Gott wenden. Ihre Tochter Tamar lässt sie katholisch taufen und tritt 1927 selber der Römisch-Katholischen Kirche bei. Anfangs ist sie noch unsicher über diese Bekehrung. Einerseits bedeutet es das Ende ihrer Partnerschaft, da der geliebte Mann in einer Ehe als verlässliche Partnerschaft keinen Sinn entdeckt. Andererseits leidet Dorothy unter dem Gefühl, dass ihre Bekehrung zum Christentum ein Verrat an der Sache der Armen sei. Denn die Kirche, die auf der einen Seite in vielerlei Hinsicht ein Haus für die Armen zu sein hat, scheint sich ihrem Eindruck nach mit dem Status quo vieler Ungerechtigkeiten abzufinden.

Als Alleinerziehende erlebt Dorothy Day nun einsame Jahre. Mit journalistischen Aufträgen bestreitet sie ihren Lebensunterhalt. Zugleich gibt sie ihre Hoffnung nicht auf, ihr Glaube an Jesus Christus sowie ihr Eintreten für soziale Gerechtigkeit könnten einmal miteinander versöhnt werden.

Anzeichen einer Erfüllung ihrer Hoffnung ergeben sich im Jahr 1932, als sie den radikalen Visionär Peter Maurin kennenlernt. Als französischer Einwanderer lebt er in den Staaten wie ein Vagabund und träumt als wandernder Philosoph von einer gerechten und idealen Gesellschaft, in der es für Menschen tatsächlich einfacher ist, gut zu sein. Fortan beschließen beide, gemeinsam den Weg radikaler Christusnachfolge zu gehen. Dabei wollen sie sich besonders den Opfern der Wirtschaftskrise, vornehmlich der Arbeiterschaft, zuwenden. Diese wollen sie zunächst mit der Herausgabe einer neuen Zeitung erreichen.

Am 1. Mai 1933 erscheint die erste Ausgabe vom „The Catholik Worker“. Darin berichten Dorothy Day und Peter Maurin über Streiks und ausbeuterische Arbeitsbedingungen, sie informieren über die sich entwickelnde Katholische Soziallehre und rufen ihre Leserschaft zum sozialen Engagement auf.

Parallel zur Zeitung begründen sie das „Catholic Worker Movement“, eine katholische Bewegung, die sich jenseits kirchlicher Strukturen für grundlegende Neuausrichtungen des Liebesgebotes Jesu einsetzt. Zudem verwandeln Dorothy Day und Peter Maurin ihre New Yorker Redaktionsräume in das erste „House of Hospitality“. In diesem „Gastfreundschaftshaus“ versorgen sie Obdachlose und Bedürftige mit Essen und Trinken, Kleidung sowie Unterkunft. Alle Maßnahmen begleiten sie auch geistlich, beispielsweise durch das gemeinsame Gebet. Binnen kürzester Zeit entstehen auch an anderen Orten vielbesuchte Ableger dieses „House of Hospitality“.

Dorothy Days Botschaft hört bei den Werken der Barmherzigkeit nicht auf. In der Bergpredigt Jesu entdeckt sie auch den Aufruf zu einer kompromisslosen Gewaltfreiheit. Entgegen weitgehender Kritik hält sie an ihrer pazifistischen Haltung auch während des Zweiten Weltkrieges fest und nimmt an zahlreichen Demonstrationen teil. Um ihre pazifistische Botschaft dem II. Vatikanischen Konzil (1962-65) nahezubringen, reist sie eigens nach Rom und findet einen Widerhall ihrer Botschaft in der Friedensenzyklika „Pacem et terris“.

Demonstrationen werden im New York der 60-ziger Jahren immer alltäglicher. An vielen ist Dorothy Day beteiligt. Noch mit 76 Jahren wird sie während einer Arbeiterdemonstration verhaftet. „Ich glaube fest daran, dass unsere Erlösung bei den Armen liegt“, bekennt Dorothy Day als ihr Glaubenszeugnis. Ihr Zeugnis ist überaus glaubwürdig, da es verwurzelt ist im alltäglichen Leben mit den Bedürftigen und Armen, zugleich genährt von ihrer bewusst gepflegten Nähe und Liebe zu Gottesdienst und Gebet.

Im Alter von 83 Jahren stirbt Dorothy Day an einem Herzinfarkt. Sie hinterlässt ein beachtliches Erbe: verschiedene Bücher, unzählige aufrüttelnde Zeitungsartikel und Schriften sowie mehrere hundert „Gastfreundschaftshäuser“. Ihre Tochter Tamar sowie eine Reihe von Enkelkindern sind längst in die Fußstapfen ihrer geliebten Mutter und Großmutter getreten und führen ihr Erbe weiter.

Dorothy Day träumte nicht nur von einer gerechteren Welt, sondern sie hat diese für viele benachteiligte Menschen tatsächlich zu einer besseren Welt gemacht. Noch heute ruft sie die Gläubigen der Kirche auf, sich ihrer Berufung durch Jesus Christus bewusst zu werden. Denn was Getaufte im Glauben an das Geheimnis der Erlösung tun, das tun sie für IHN.

Foto: Bob Fitch Photography Archive / Department of Special Collections / Stanford University Libraries

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