Aus der Apostelgeschichte (1,1-3.9-11):
Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus von Anfang an getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde.
Vorher hat er den Aposteln, die er sich durch den Heiligen Geist erwählt hatte, Weisung gegeben. Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen.
Nachdem Jesus den Jüngern noch letzte Weisungen gab, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.
Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.
Abstieg – Aufstieg
Sich in die Lüfte zu erheben wie ein Vogel, fasziniert Menschen von Anfang an. Bekannt sind die beiden Gestalten aus der griechischen Mythologie: der geniale Erfinder und Techniker Dädalus sowie sein Sohn Ikarus. Mit selbstgebastelten Flügeln aus Federn und Wachs wollten sie über den Luftweg aus ihrer Gefangenschaft ausbrechen. Dem übermütigen Ikarus wurde seine Waghalsigkeit jedoch zum Verhängnis. Mit seinen empfindlichen Wachsflügeln kam er der Sonne viel zu nahe und stürzte ab.
Trotz schlimmer Abstürze ist die Fliegerei aus unserer Lebenswelt nicht wegzudenken. Während wir hier über den Friedhof pilgern, befinden sich unzählige Menschen in der Luft. Raumschiffe schweben in noch in ganz anderen Sphären.
Himmelsstürmer, vornehmlich im metaphysischen Sinn, kennt auch die Bibel. Der alttestamentlichen Gestalt Henoch (Gen 5,18-24) wird nachgesagt, er sei entrückt, also hineingenommen in den himmlischen Bereich. Da er ein gottwohlgefälliges Leben führte, sollte er, so die Bibel, nicht sterben. Oder Elia, bekannter Prophet und heftiger Kämpfer gegen heidnische Kulte (1 Kön 17). Mit einem feurigen Streitwagen (2 Kön 2,1-18) wurde er ins Jenseits entrückt. Auch beim Hohepriester Melchisedek (Gen 14,18-20) bleiben Sterben und Tod für die Nachwelt geheimnisvoll. Grabstellen für diese biblischen Größen sind nicht bekannt.
Ganz anders bei Jesus! Der Messias, der erst recht wie kein anderer ein gottwohlgefälliges Leben führte, wurde nicht einfach entrückt. Jesus starb, und zwar einen grausamen Tod. Jesus wurde auch begraben. Sein Grab in Jerusalem ist noch heute das am meisten verehrte auf der ganzen Welt. Der Sohn Gottes wollte bewusst seinen Tod nicht umgehen. Im Gegenteil: Der Tod sollte durch ihn durchbrochen, überwunden, ja besiegt werden. Aus seinem Grab heraus erwächst etwas noch nie Dagewesenes.
„So ist es mit der Auferstehung der Toten,“ betont daher der Apostel Paulus (1 Kor 15,42-44), „was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, ist unverweslich. Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, ist herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib.“
Mittels dieser Gegensätzlichkeiten, wie Paulus es tut, kann leibliche Auferstehung trefflicher gar nicht benannt werden. In diesem Sinn wäre der Menschensohn, wie Jesus sich selbst nennt, ebenfalls ein Himmelsstürmer. Seine Himmelfahrt jedoch steht in engster Verbindung mit seinem Sterben, mit seinem Tod.
„Aufgefahren in den Himmel“, so lautet unser Bekenntnis. Mit einer Raumfahrt, wie wir sie kennen, hat diese Himmelfahrt natürlich nichts zu tun. Denn selbst wenn Jesus vor 2000 Jahren sich mit Lichtgeschwindigkeit von den Jüngern und damit von der Erde entfernt hätte, wäre der Sohn Gottes bei den uns bekannten Ausmaßen des Universums noch immer unterwegs.
Vor seinem Aufstieg ist allerdings noch ein anderes Ereignis von größter Bedeutung: Jesu Abstieg. „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“, heißt im Glaubensbekenntnis. Ältere Texte sprechen sogar vom „Reich der Hölle“.
Gemeint ist, Christus habe nicht nur das Schicksal des Todes mit den Menschen geteilt. Der Sohn Gottes ist vielmehr eingegangen in die tiefste Verlassenheit des Todes, in die dunkelste Nacht des Geächtet-Seins, ja des Verworfen-Seins. Dort traf Christus, wie es im 1. Petrusbrief (3,19) heißt, jene Geister, die im Gefängnis des Todes waren. Und nicht nur das: Er predigte ihnen.
Die Macht Gottes erweist sich also auch in der extremsten Verworfenheit des Todes. Gibt es überhaupt eine Macht, so könnten wir fragen, die der Liebe Gottes etwas entgegenzusetzen hätte? Kann die Macht Gottes an Grenzen stoßen? Können selbst die Pforten der Hölle sich vor der Macht Gottes verschließen?
Ostkirchliche Ikonographien überzeugen mit ihren typischen Darstellungen: Christus steht siegreich über jenem Schlund, der zur Unterwelt führt. Von dieser Stelle aus zieht er kraftvoll die Erlösungsbedürftigen zu sich empor. Der Auferstandene verhilft den Totgesagten zu neuem Leben.
Bei diesen Gedanken möchten man gern verweilen. Doch wohlmeinende Engel holen uns zurück und lenken unseren Blick in unsere irdische Wirklichkeit, hinein in unsere Gegenwart: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ (Apg 1,11).
Bis auch wir einmal endgültig hineingenommen sind in die Schar der Erlösten, lassen wir uns mit heiliger Leidenschaft darauf ein, den erfüllenden Reichtum göttlicher Liebe hier auf Erden zu leben. Christus bedient sich unserer Hände, um seine Arbeit heute zu tun. Christus bedient sich unserer Füße, um auch andere Menschen auf seinen Weg zu führen. Christus bedient sich unserer Lippen, um Menschen von ihm und seinem Werk der Erlösung und einer sich restlos hingebenden Liebe zu erzählen.
Lassen wir uns von ihm in den Dienst nehmen.
Hymnus zum Fest Christi Himmelfahrt
Du höchster Herr der Herrlichkeit,
du Retter der verlornen Welt,
durch den der Tod vernichtet ist,
das Leben siegreich triumphiert.
Zum Thron des Vaters steigst du auf
und nimmst zu seiner Rechten Platz;
der dich erhöht in Herrlichkeit,
er setzt dich ein in seine Macht.
In Ehrfurcht beugen sich vor dir
der Himmel und das Erdenrund,
und selbst die Unterwelt bekennt:
Du bist der Herr der ganzen Welt.
Die Engel nehmen staunend wahr,
wie sich des Menschen Los gewandt:
Was Menschen fehlten, sühnt ein Mensch
und herrscht auf ewig: Mensch und Gott.
Dir, Herr, sei Ruhm und Herrlichkeit,
dem Sieger, der zur Höhe fährt,
dem Vater und dem Geist zugleich
durch alle Zeit und Ewigkeit.
Amen.
Foto: Wolfgang Guttmann