„Andere bauten für uns, wir bauen für die Zukunft;
allen aber baut CHRISTUS einen Weg zu Gott.“
Hilfe, wir bauen eine neue Kirche!
In Absprache mit dem Erzbistum Hamburg beschloss im Januar 1998 die Quickborner Pfarrgemeinde, an derselben Stelle ein erheblich größeres Gotteshaus zu errichten. Dabei ging es auch darum, den Eingangsbereich der Kirche neu zu verorten, und zwar zwischen Gemeindehaus und dem unmittelbar zuvor gebauten Pfarr- und Bürohaus. Dazu sollte das Kirchenschiff um 90° gedreht werden. Noch viel wichtiger jedoch war: Die erst Anfang der 50-ziger Jahre errichtete St.-Marien-Kirche konnte den anhaltenden Zulauf der Kirchenbesucher gar nicht mehr aufnehmen. Sonntag für Sonntag eine bedrohliche Enge. Die Sicherheit der Gottesdienstbesucher wurde angemahnt. Die heutigen großzügig angelegten und barrierefrei gestalteten Portale sind das sichtbare Ergebnis umgesetzter Konsequenzen.
Auf den Beschluss eine neue Kirche zu bauen, folgte ein nicht unbeträchtlicher Schrecken verbunden mit großem Nachdenken: Wie macht man das? Niemand besaß Erfahrungswerte. In Quickborn gab es aber eine äußerst lebendige, dynamische Kirchengemeinde, die zukunftsorientiert ihre christliche Glaubenshoffnung in einer zeitgemäßen Sprache der Architektur und Kunst wiedergegeben sehen wollte.
Auch wenn alle die großen finanziellen Herausforderungen ahnten: der Großteil der Gemeinde stand hinter diesem Vorhaben. So ließ auch ich mich, der ich gerade erst seit zwei Jahren als neu berufener Pfarrer in Quickborn tätig sein durfte, auf dieses aufsehenerregende Wagnis ein. Zum diesjährigen 25. Kirchweihfest wiederhole ich bereitwillig: Mit dem Segen des Himmels würde ich mich zusammen mit den Gläubigen der Quickborner Pfarrgemeinde und allen Beteiligten noch einmal auf dieses einmalige und zugleich beseligende Abenteuer einlassen.
Kurz und bündig bleibt festzuhalten: Zwei Jahre geplant, zwei Jahre gebaut, weitere drei Jahre abbezahlt: Nach insgesamt sieben Jahren war das Werk der neuen Quickborner St.-Marien-Kirche vollendet! Noch heute kommt es mir vor wie ein Geschenk des Himmels, ja wie ein Wunder!
Anlässlich dieses schönen Jubiläums der Kirchweihe, die am So., 28. Mai 2000, in einer feierlichen Zeremonie durch unseren früheren Erzbischof Dr. Ludwig Averkamp (+ 2013) erfolgte, ist es mir ein großes Anliegen, einige bedeutungsvolle Begebenheiten des Kirchbaus in Erinnerung zu bringen.
Da ist zunächst die Jugend. Ohne diese unübersehbar starke Säule der Gemeinde, von denen noch heute erfreulicherweise nicht wenige als Mütter und Väter zum Aufbau und Leben der Quickborner Gemeinde beitragen, ist das Entstehen des neuen Gotteshauses nicht vorstellbar. Während der Planungen trug die große Schar junger Leute drei Wünsche vor: eine großzügig angelegte Empore, ein atmosphärisch wohltuendes Wir-Gefühl im Kirchenraum sowie ein helles, lichtdurchflutetes Kircheninnere. Alles fand seine Umsetzung.
Parallel dazu ist jene Generation zu nennen, die die vorherige St.-Marien-Kirche in schwerer Zeit unter vielen Opfern und Mühen aufgebaut hatte. Gezeichnet von den Schrecken des 2. Weltkrieges, kamen viele aus den deutschen Ostgebieten in Richtung Hamburg. Am Stadtrand gründeten sie ihre neue geistliche Heimat und errichteten hier in Quickborn ihre Kirche. Sie stellten sie unter den Schutz der Gottesmutter Maria – Immerwährende Hilfe. Nun mitzuerleben, dass ihr Haus des Gebetes, in dem sie als Familien über 45 Jahre viele Hochzeiten, Taufen, Erstkommunionen, Firmungen und überhaupt Gottesdienste feiern konnten, so nun nicht mehr sein sollte, ging nicht wenigen an die Schmerzgrenze. Dennoch überwog die Zustimmung zum Aufbruch. Für den beabsichtigten Kirchneubau äußerte auch diese Generation ihren nachvollziehbaren Wunsch: alle übernehmenswerten Skulpturen, Bilder sowie Kirchenfenster sollten in der neuen Kirche wiederzufinden sein. Auch diesem Wunsch wurde entsprochen. Altes und Neues ergänzen sich und stellen eine wunderbare generationenübergreifende Einheit dar.
Als sinnfälliger Beitrag bleibt für mich in Erinnerung die unvergessliche Aktion der sogenannten ‚Trümmerfrauen‘. Sie benannten sich selbst so in Anlehnung an die bekannten Aufräumaktionen nach dem 2. Weltkrieg. In staubiger, mühevoller Arbeit entfernten die zahlreich gekommenen Frauen den brüchigen Mörtel von den alten Klinkern der inzwischen zur Seite genommenen alten Kirche. Als Zeichen gemeindegeschichtlicher Kontinuität wurden später die vielen aufbereiteten Klinker in einem eigens dafür vorgesehenen Strukturelement in das äußere Mauerwerk eingefügt. An dieser bemerkenswerten Aktion beteiligten sich erfreulicherweise auch Frauen anderer Konfessionen.
Stichwort Kontinuität: In diesem Zusammenhang erwähne ich gern meine beiden geschätzten Vorgänger. Pfarrer Heinrich Hülsmann (+ 2019), von dem ich 1996 die seelsorgliche Aufgabe übernehmen durfte, gewann über 16 Jahre hinweg viele Menschen zur aktiven Mitwirkung in der Quickborner Pfarrei und formte maßgeblich das seelsorgliche Leben. Weitsichtig sorgte er beim damals noch zuständigen Bistum Osnabrück für Optionen hinsichtlich der Erweiterung der Quickborner Kirche. Während der Zeit seines Vorgängers Pfarrer Alois Golombiewski (+ 1991) wurde die Kirchengemeinde Quickborn als eigenständige Pfarrei ins Leben gerufen. Er förderte über 26 Jahre den frühen geistlichen Aufbau des Gemeindelebens. Durch damals übliche Bittpredigten gelang es ihm, so viele Mittel zusammenzutragen, dass der Bau der ersten St.-Marien-Kirche mit deren Einweihung im Mai 1953 möglich wurde. Beiden Pfarrern haben wir sehr viel zu verdanken.
Zum angestrebten Ziel, Altes und Neues zu ergänzen, trugen maßgeblich die von der Pfarrei beauftragten Architekten bei. Der Idealfall war, dass unser Architekt und Gemeindemitglied Bernd Breuninger seinen angesehenen Hamburger Hochschullehrer Prof. Friedhelm Grundmann (+ 2015), der u. a. die altehrwürdige Domkirche in Lübeck renovierte und deren Inneres neugestaltete, für dieses neue Kirchbauprojekt gewinnen konnte. Dieser wiederum zog seinen qualifizierten Mitarbeiter Mathias Hein hinzu. Diesem kompetenten Architektenteam gelang es, die von der Gemeinde ausdrücklich gewünschten biblischen Elemente „Wasser“ und „Licht“, wie sie in den ersten Sätzen des Buches Genesis (1,1-5) als Anbeginn göttlicher Schöpfung erwähnt werden, zusammen den Bildern der Erlösung wie Kreuz, Altar und Heiligendarstellungen in die sakrale Sprache der Architektur einfließen zu lassen. Überhaupt bestand die Stärke des Teams darin, bei allen eigenen architektonischen Fachkompetenzen und Visionen sich auch auf einen tiefgreifenden Dialog hinsichtlich der spezifischen Wünsche der Gemeinde einzulassen und diese mit hohem Niveau umzusetzen.
Die im Bronzeguss gestalteten Kunstgegenstände von dem mit vielen Auszeichnungen versehenen Gold- und Silberschmied Claus Pohl, Duisburg, führte die architektonischen Ideen in sehr gelungener Weise ebenso fort, wie die typische Glasfensterkunst des international bedeutenden Malers und Glasbildners Prof. Johannes Schreiter, Langen, der die Schöpfungselemente Wasser und Licht wahrhaft genial in seinen künstlerischen Darstellungen aufgreift und weiterführt.
Bevorzugt arbeitete die Pfarrei mit vielen ortsnahen Betrieben zusammen. Unzählige Gespräche waren diesbezüglich zu führen und das natürlich mit Beteiligung der Mitglieder unserer Gremien. Die Frauen und Männer des Kirchenvorstandes und des Pfarrgemeinderates verzichteten bewusst auf einen eigens einzurichtenden Bauausschuss. Sie taten es mit der Zusage, über Jahre hinweg neben ihrem Zivilberuf Woche für Woche abends zusammenzukommen, um über den aktuellen Stand der Baumaßnahmen zu beraten und zu beschließen. Nicht wenige Konferenzen endeten erst nach Mitternacht. Um den Horizont der Ideen zu erweitern, gab es in regelmäßigen Abständen dafür eigens anberaumte Gemeindeversammlungen. Alle Wissbegierigen wurden auf diese Weise informell mitgenommen auf dem gemeinsamen Weg hin zu einer neuen St.-Marien-Kirche.
Das öffentliche Interesse an diesem Unternehmen war von Anfang an beträchtlich. Auffallend wohlwollend begleiteten Medien das Bauvorhaben. Journalisten verschiedenster Redaktionen erschienen regelmäßig zu den einberufenen Pressekonferenzen. Selbst der Stuttgarter Südwestrundfunk (SWR) brachte eine ausgiebige Reportage über das außergewöhnliche Geschehen in Quickborn. Da inzwischen in vielen Bistümern Kirchen geschlossen wurden, bewegte die Medien die Frage: Was machen die Quickborner anders?
Bei den offiziellen Vertretern der Stadt Quickborn fand der Kirchneubau ebenfalls große Akzeptanz. Zusammen mit dem Bürgervorsteher und dem Bürgermeister waren sich alle bewusst, dass die Katholische Pfarrei mit dem neuen Gotteshaus einschließlich des vorgelagerten Kirchplatzes einen wichtigen bereichernden Beitrag leistet für das künftige städtebauliche Erscheinungsbild Quickborns. Auch auf diese Weise wurde sichtbar, wie Mitglieder der Katholischen Pfarrgemeinde in den Orten Quickborn, Ellerau, Hasloh und Bilsen ohnehin auch gesellschaftlich ihren öffentlich integrativen Beitrag leisteten.
Auf der Basis gelungener Ökumene – von den Trümmerfrauen war bereits die Rede – unterstützten Glaubensschwestern und Glaubensbrüder aller Konfessionen unser Bauvorhaben. Unser Architekt Bernd Breuninger, bekanntermaßen auch musikalisch talentiert, setzte sich dafür ein, die in Heilbronn zu gießenden neuen drei Glocken klanglich auf das Geläut der Ev.-Luth. Marien-Kirche abzustimmen. Seitdem verbreitet sich über der Stadt Quickborn ein wohltuend geistlich-harmonisch abgestimmter Glockenteppich. Der Gleichklang aller Glocken erinnert uns: „Ein HERR, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5).
Schließlich drängt sich noch die Frage auf: Wie konnten die gewaltigen D-Mark-Gesamtkosten, die sich immerhin im einstelligen mittleren Millionenbereich befanden und die die Pfarrei fast zur Hälfte selbst aufzubringen hatte, so schnell abbezahlt werden? Eine Kirchengemeinde, die sich als lebendig und dynamisch versteht, lässt sich da eine Menge einfallen. Natürlich gab es erfreulicherweise eine Reihe objektbezogener großzügiger Spenden. Darüber hinaus gab neben den monatlich vorgesehenen Kollekten auch sehr viele Benefizveranstaltungen mit Konzerten, Vorlesungen und Kabarett-Darbietungen. Da die Gemeinde seit Jahrzehnten geprägt ist durch viele aus dem Ausland kommenden Gläubigen, flossen Erlöse vieler Ausländerfeste in die Finanzierung des Kirchbaues mit ein. Hinzu kamen die Erlöse des Adventlichen St.-Marien-Marktes, ebenso des während des Quickborner Eulenfestes stattfindenden Engel-Cafés sowie umfangreiche Versteigerungen des Inventars der alten Kirche. Ein so genannter Kirchbau-Wein trug ebenso zur Baufinanzierung bei wie die auf Dauer den Kirchplatz prägenden Lebenden Steine. Es gab daher kaum jemanden in Quickborn und Umgebung, der nicht direkt oder indirekt zur finanziellen Förderung des neuen Gotteshauses beigetragen hätte. Dankenswerterweise kamen so jene erstaunlichen Beträge zusammen, die durch finanzielle Förderungen des Erzbistums Hamburg zusammen mit denen des Bonifatiuswerk Paderborn ergänzt wurden. Nach insgesamt sieben Jahren war tatsächlich alles bezahlt.
„Wenn nicht der HERR das Haus baut, mühen sich alle umsonst“ (127,1), heißt es beim Psalmisten. Tatsächlich lag über dem Bauvorhaben der Quickborner Pfarrei ein großer Segen. Auch für die Bauleute, mit denen ich täglich zu tun hatte, bedeutete es etwas ganz Besonderes, mit eigenen Händen, wie sie sagten, am Bau einer Kirche mitzuwirken. Irgendwie waren sie von Ehrfurcht ergriffen. Erfreulicherweise kam, wie die Handwerker bestätigten, während der Bautätigkeit niemand zu Schaden. Im Zuge der Neueröffnung allerdings zog sich jemand doch noch einen blauen Fleck zu. Denn wer kann als Erstbesucher im lichtdurchfluteten Gotteshaus ahnen, dass der Windfangbereich restlos transparent ist? Die eigene Stirn kann da schnell mit dem Sicherheitsglas in Kollision geraten. Natürlich wurden als Vorsichtsmaßnahme sofort auf Augenhöhe entsprechende Sichtzeichen angebracht. Glücklicherweise ging dieser kleine Zwischenfall glimpflich aus.
Zusammen mit meinem lieben Mitbruder und Nach-, Nach-, Nachfolgepfarrer Heiko Kiehn darf sich die Quickborner Kirchengemeinde auf die großen Jubiläumsfeierlichkeiten am Do., 29. Mai 2025, Fest CHRISTI Himmelfahrt, freuen. Seine freundliche Einladung im Namen der Kirchengemeinde nehme ich zu diesem schönen großen Ereignis sehr gern an. Nicht zuletzt durch die vielen wohltuend spirituellen Erfahrungen über lange Jahre hinweg bleibt meine geistliche Nähe zur Quickborner Gemeinde lebendig. Und wenn mit jenen Frauen und Männern, die bereits vor Jahrzehnten als junge Leute die damalige kirchliche Jugendarbeit prägten, zum Aufbau des Gemeindelebens beitrugen und den Bau der neuen St.-Marien-Kirche maßgeblich befürworteten und unterstützten, wenn noch heute mit ihnen und vielen anderen aktiven Mitgliedern der Gemeinde verschiedener Generationen die lebendige Glaubensgeschichte fortgeschrieben wird, dann bleibt das Leben der Quickborner Gemeinde mit dem Segen des Himmels auch weiterhin hoffnungsvoll auf Zukunft hin ausgerichtet.
Kirchenbesucher jedweden Alters würdigen dieses gelungene und sehr sehenswerte neue Gotteshaus. Die Quickborner St.-Marien-Kirche möge ein Hort der Geborgenheit und des Gebetes bleiben für alle Familien, für alle Glaubenden und natürlich auch für alle Gottsuchenden, zu denen wir irgendwie alle gehören. Das damalige Leitwort des Kirchbaues gilt unverändert, so wie es festgehalten ist im Dokument des Grundsteines vom 12. September 1998 – Fest Mariä Namen: „Andere bauten für uns, wir bauen für die Zukunft; allen aber baut CHRISTUS einen Weg zu Gott.“
März 2025 Wolfgang Guttmann, Pfr. i. R.
Foto: Katholische Kirche Quickborn