Predigt
Evangelium: Joh 8,1-11
Datum: 06. April 2025
Kirche: St. Answer, Ratzeburg
Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus und die Frauen – sein Umgehen mit ihnen war durchweg positiv. Nicht allein, dass Jesus kein Sexist war, nie vorgab, wie eine Frau zu sein hat. Jesus war auch kein Macho, er kannte kein draufgängerisches, herabwürdigendes Imponiergehabe. Im Gegenteil: Bei Jesus waren die Frauen wer, sie standen im Blickpunkt des Geschehens. Jesus kam nie auf die Idee, den Wirkungsbereich von Frauen einzuengen. Frauen waren bei Jesus Apostelinnen, Prophetinnen, sie waren bei Jesus ebenbürtig, auf Augenhöhe.
Jesus, der selbst nie verheiratet war, wird mit einem Mal mit dem Szenario eines Ehebruchs konfrontiert. Auffällig: Wo ist denn den Mann? Hat man ihn entwischen lassen? Soll der Eindruck erweckt werden, ein Ehebruch bei Frauen sei schlimmer zu bewerten?
Den Anklägern jedoch ging es nicht allein um diese Frau. Es ging ihnen vor allem um Jesus. Den Schriftgelehrten und Pharisäern fiel dieser Mann aus Nazareth schon lange unangenehm auf. Denn wie dieser Mann aus Nazareth mit dem Gesetz des Mose umging, war für die jüdische Oberschicht eine Provokation.
Auf Ehebruch kannte das Gesetzbuch Mose nichts anderes als die harte, konsequente Strafe. Würde dieser Jesus jedoch in seiner bekannten Barmherzigkeit gegenüber der Sünderin für eine Aussetzung der Strafe eintreten, dann würde er die Autorität des Mose untergraben. Für fromme Juden ein gewichtiger Grund, gegen Jesus weiter vorzugehen.
Von den herausfordernden Männern wird Jesus vor zwei Möglichkeiten gestellt: entweder die Steinigung zuzulassen oder Barmherzigkeit zu üben und das Gesetz des Mose zu untergraben. Und was macht Jesus? Er wählt einen dritten Weg. Er tut etwas ganz Unerwartetes: er neigt sich zu Boden und schreibt auf die Erde. So kommt ein Augenblick der Besinnung auf. Als Jesus sich aufrichtet, spricht Jesus die starken Worte: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ (Joh 8,7).
Dieser Augenblick mischt alles auf. Die Männer schauen in ihre eigenen seelischen Abgründe. Betroffen trollt sich einer nach dem anderen davon.
Zurück bleiben zwei: Jesus und die Frau. Hier begegnen sich „zwei Welten“, schreibt der hl. Augustinus: die Welt der „Misera“ und die Welt der „Misericordia“ – die Armselige und die Barmherzigkeit. Zwischen beiden entwickelt sich ein persönliches Gespräch, was mit dem schönen Wort göttlichen Erbarmens schließt: „Auch ich verurteile dich nicht.“
„Auch ich verurteile dich nicht.“ Das heißt nicht, dass Jesus das Vergehen bagatellisiert, erst recht nicht, dass sie nicht gesündigt hätte. Aber Jesus macht etwas ganz Wichtiges, was die Frau aufrichtet: Er bindet sie nicht an ihre Vergangenheit, legt sie nicht daraufhin fest. Jesus beunruhigt die Frau auch nicht mit Fragen, mit wem, warum, wie und wo das alles geschehen ist. Nein, Jesus eröffnet der Ehebrecherin eine neue Zukunft, die gestaltet sein will in einer vor Gott und den Menschen verantworteten Freiheit. Jesus schenkt der Ehebrecherin ihre Würde zurück.
Der heutige Fastensonntag trägt den Namen MISEREOR: „Ich erbarme mich.“ Es macht Sinn, dass dieses Evangelium gerade heute verkündet wird. Dieser Sonntag erinnert uns an das Erbarmen Gottes, an das Erbarmen Jesu Christi. Auch durch uns soll das Charisma der Barmherzigkeit in Erscheinung treten. Das ist nicht selbstverständlich, denn die Botschaft Jesu kann ganz schön unbequem sein.
Exegeten, also Bibelwissenschaftler weisen darauf hin, dass diese Bibelstelle von der Ehebrecherin als Wanderperikope eingestuft wird, d.h. bei Gemeindebildungen wurde diese Bibelstelle hier und da wohl herangenommen, dann aber wieder verworfen. An anderen Orten hat man es ähnlich gemacht: herangenommen und wieder verworfen. So war diese Bibelstelle ständig am Wandern, bis sie schließlich ihren Platz im Johannesevangelium gefunden hat.
Weshalb machte man das? Diese Bibelstelle ist unbequem! Es gab auch in der Frühzeit Gemeinden, die lieben klare Ordnungen, auch wenn das Charisma der Barmherzigkeit dabei zu kurz kam. Wundern wir uns nicht, denn das gibt es noch heute. Das Charisma der Barmherzigkeit ist bei Jesus so universal, dass es das Leben von Gemeinden sprengen kann. Hier haben wir das Beispiel eines Ehebruchs. Wie gehen die Zeitgenossen damit um?
Wir können das übertragen in unsere Gegenwart. Wie gehen Kirchengemeinden mit Geschiedenen um? Wie ist es mit wiederverheiratet Geschiedenen? Werden solche Fragen thematisiert oder tabuisiert? Oder wie ist es mit den Menschen, die eine ganz andere sexuelle Orientierung haben?
Während meiner Zeit der Seelsorge bin ich manchen Eltern begegnet, die ihre Hände über den Kopf zusammengeschlagen haben, nachdem sie feststellten, dass ihre Tochter, ihr Sohn in Sachen sexueller Orientierung ganz andere Wege einschlagen. Was geht man damit um? Es bleiben ihre Kinder, ihre Kinder der Liebe. Und den Eltern tut es gut, wenn sie in der Gemeinde Gläubige an ihrer Seite wissen, die sie auf diesem Weg begleiten. Es bedeutet für sie ein großer Trost. Barmherzigkeit üben kann ganz schön unbequem sein.
Zu den schönsten Aufgaben eines Pfarrers gehören Trauungen. Fest der Liebe. „Wo die Liebe sich freut, da ist ein Fest“, sagt der hl. Augustinus. Brautpaare sind noch heute beeindruckt von den Vermählungsworten: „Vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meine Frau, als meinen Mann. Ich will dich lieben achten und ehren …“ Worte, die guttun, äußerst guttun.
Ein großes deutsches Nachrichtenmagazin bestätigt in diesen Tagen: Gute Beziehungen, gute Ehebeziehungen tragen zur Gesundung bei. Nur man muss auch etwas dafür tun. Ich frage mich, ob kirchlich geschlossene Ehen intensiver gelebt werden und ob kirchlich geschlossene Ehen länger halten? Spannende Frage! Wünschen möchte man sich das. Auch in einer kirchlich geschlossenen Ehe ist gelebte Treue keine Selbstverständlichkeit. Und der Tag der Hochzeit ist ja nicht der Tag des Happyends, mit diesem Tag geht das Abenteuer der Liebe erst richtig los.
Die Frage stellt sich: Welchen Sinn macht, es kirchlich zu heiraten? Manche denken: kirchlicher Segen kann ja nicht schaden. Und außerdem ist alles so schön feierlich: Mir Orgelklang und Glockengeläut. Aber ob das reicht? Wo ist der eigene Beitrag?
Einen Sinn kirchlich geschlossene Ehen entdecke ich ihn darin: Der Segen, den das Brautpaar empfängt, bzw. das Sakrament, welches die Brautleute sich gegenseitig spenden, möge beiden jene geistliche Kraft verleihen, Tag für Tag immer wieder neu um die Liebe des Partners, der Partnerin zu werben. Beide können da nicht kreativ, nicht schöpferisch genug sein, um in partnerschaftlicher Weise, auf Augenhöhe, miteinander umzugehen.
Und dann mögen Eheleute bei Jesus, auch wenn er selbst nie verheiratet war, in die Schule gehen, von ihm lernen. Jesus ist ein Freund der Treue. Er hält die Würde von Partnern, von Ehepartnern hoch und heilig. Am besten: Eheleute nehmen Jesus durch Gebet, Meditation, durch Besinnung mit hinein in ihre Zweisamkeit: Jesus als Urquell und als Vollender jeglicher Liebe.