Bertha von Suttner (1843-1914): Schriftstellerin und erste Friedensnobelpreisträgerin
„Die Waffen nieder!“ – so lautet der Titel jenes Romans, den Bertha von Suttner im Herbst 1889 veröffentlicht. Dieses Buch mit pazifistischem Inhalt erregt großes Aufsehen. Aus der Sicht einer Ehefrau beschreibt die tschechisch-österreichische Schriftstellerin die Schrecken des Krieges. Sie trifft damit den Nerv einer Zeit, in der die Gesellschaften Europas hitzige Diskussionen führen über Aufrüstung und Krieg. Dieses Buch, welches in 37 Auflagen erscheint und in 15 Sprachen übersetzt wird, steigert sich zu ihrem größten literarischen Erfolg. Wenige Tage, bevor in Sarajewo jene folgenschweren Schüsse fallen, die den Ersten Weltkrieg auslösen, stirbt sie am 21. Juni 1914 an einem Krebsleiden. Auf ihren Wunsch hin wird die Urne mit ihrer Asche im Kolumbarium des Gothaer Hauptfriedhofs aufbewahrt.
Bertha von Suttner (offizieller Name: Bertha Sophia Felicita Freifrau von Suttner, geborene Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau) wird am 09. Juni 1843 in Prag geboren und entstammt mütterlicher- und väterlicherseits einer adeligen Familie von Militärs im politischen Umfeld der österreichisch-ungarischen k. u. k.-Monarchie. Sie wächst mehrsprachig auf, was ihre Neigung fürs Reisen begünstigt.
Doch Reisen haben bei Bertha weniger mit Erholung, sondern vielmehr mit Unruhe und Veränderungen zu tun. 75-jährig verstirbt ihr Vater noch vor ihrer Geburt. Durch ihre Spielleidenschaft verbraucht ihre Mutter ein Großteil des Familienvermögens. In Wien nimmt Bertha bei der Industriellenfamilie Freiherr von Suttner eine Stelle als Kindererzieherin an. Um einer sich anbahnenden Liebschaft mit dem Sohn der Familie, Arthur Gundaccar von Suttner, zu begegnen, wird Bertha von der Familie nach Paris weitervermittelt und erhält bei Alfred Nobel wenigstens für knapp zwei Wochen eine Tätigkeit als Privatsekretärin, denn der Chemiker und Erfinder vieler Patente wird durch seinen schwedischen König in seine Heimat wieder zurückberufen.
Nach Wien zurückgekehrt, heiratet Bertha 1876 ihre frühere Liebe Arthur Gundaccar von Suttner. Die Hochzeit mit dem sieben Jahre jüngeren Bräutigam findet nur heimlich statt und, bei zeitgleicher Enterbung, gegen den Willen seiner Eltern.
So gut wie mittellos begibt sich das Ehepaar, welches kinderlos bleibt, nach Georgien. Im Umfeld einer Spielfreundin von Berthas Mutter schlägt es sich im Kaukasus durch mit Gelegenheitstätigkeiten wie Sprachkursen, Übersetzungen sowie schriftstellerischen Aktivitäten. Mit ihrer Rückkehr 1885 nach Wien und der Aussöhnung mit der Familie des Ehemannes bleibt Bertha weiterhin schriftstellerisch aktiv.
Auffällig ist, wie Bertha ihre Schriften nun thematisch ausrichtet auf eine friedvollere Welt. Dabei verschreibt sie sich mehr und mehr einem rigorosen Pazifismus. Die Frage nach Berechtigung von Kriegen treibt sie um. Sie findet es unerhört, wie die Leute regelmäßig nach Rache schreien: „Rache – und immer wieder Rache! Keinem vernünftigen Menschen wird des einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden.“
Zur Herzensangelegenheit wird Bertha zudem die Beteiligung von Frauen am gesellschaftlichen und politischen Leben. Um eine ‚brüderliche‘ Verständigung der gesamten Menschheit tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen, hätte ihr, so ihr Vorschlag, eine weltumspannende ‚Schwesterlichkeit‘ vorauszugehen.
1889 erscheint schließlich ihr Antikriegs-Roman „Die Waffen nieder!“ Bertha von Suttner wird nun zu einer der bekanntesten Vertreterinnen der Friedensbewegung. Außer für den Frieden setzt sie sich jetzt auch für die Rechte von Frauen und ebenso gegen den weit verbreiteten Antisemitismus ein. Als einzige Frau und zudem als Nicht-Regierungsvertreterin nimmt sie 1899 an der „1. Haager Friedenskonferenz“ in Den Haag teil. In den folgenden Jahren reist sie für Vorträge kreuz und quer durch Europa und ebenso durch Nordamerika.
Mit Alfred Nobel hält sie brieflichen Kontakt aufrecht. Als der schwedische Millionär 1896 stirbt, stiftet er einen Preis, „für denjenigen oder diejenige, welcher oder welche am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker, für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen gewirkt hat.“ Bei der Abfassung dieses Testamentes dachte er offenbar an seine frühere Mitarbeiterin als künftige Preisträgerin. Doch eine so hohe Auszeichnung einer Frau zukommen zu lassen, wagt man damals noch nicht. Mehrere Male wird sie übergangen.
Am 10. Dezember 1905 ist es endlich soweit: Bertha von Sutter erhält als erste Frau überhaupt den Friedensnobelpreis zugesprochen. Am 18. April 1906 kann sie ihn in Kristiania (ab 1924: wieder Oslo) persönlich entgegennehmen. Bis heute werden ihr weitere sechzehn Frauen auf der Liste dieser hohen Auszeichnung folgen. Als letzte wird 2018 gewürdigt die Irakerin Nadia Murad, geb. 1993. Nur knapp überlebt sie den IS-Terror und gilt als mutige Aktivistin gegen sexuelle Gewalt als Waffe in Kriegen und bewaffneten Konflikten.
Das Arsenal der Waffen nimmt kein Ende. Vielmehr nimmt es in erschreckender Weise eher zu, wie Kriegsschauplätze in der Ukraine, im Nahen Osten oder im Sudan beispielsweise belegen.
Genau eine Woche vor dem fatalen Attentat in Sarajewo auf den Thronfolger Österreich-Ungarns und seiner Gemahlin stirbt Bertha von Suttner an ihrer tückischen Krankheit. Selbst auf dem Sterbelager bleibt für sie die Kriegsgefahr präsent. Wiederholt warnt die Friedensnobelpreisträgerin vor einer Eskalation der Gewalt. In einem Nachruf werden ihre letzten Worte wiedergegeben: „Die Waffen nieder! – sag’s vielen – vielen!“
Bertha von Suttner ©DMZ/Natali Schmidt