Predigtthema: Das Feuer der Mystik
Bibelstelle: Lk 12,49-53 – 20. Sonntag im Jahreskreis
Datum: 17. August 2025
Kirche: Abteikirche Heilig Kreuz, Herstelle
Liebe Schwestern und Brüder!
Feuer ist außerirdisch, so jedenfalls in mehreren Sagen und Dichtungen. Prometheus beispielsweise, einer der Titanen, mächtige Gestalt der griechischen Mythologie, wird zum Feuerbringer. Listig raubt er das Feuer bei den Göttern und bringt es zur Erde. Aus Sichtweise griechischer Mythologie wird Prometheus so zum Mitbegründer menschlicher Zivilisation, denn ohne kontrolliertes Feuer ist menschliche Kultur undenkbar.
Wenn Jesus sagt, er sei gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen, dann klingt Außerirdisches mit. Lukas, Autor des gehörten Evangeliums, ist gebildeter Grieche. Er kennt die griechische Mythologie. Für den Evangelisten versinnbildlicht das Feuer den aus der Ewigkeit kommenden Messias.
Eine der ersten Stellen der Heiligen Schrift, wo von Feuer die Rede ist, ist jene, wo Gott erscheint im Feuer des brennenden Dornbuschs. Mose, der in der Wüste Sinai gerade Schafe und Ziegen hütet, staunt. Der Dornbusch brennt lichterloh, aber er verbrennt nicht. Mose versteht diese Erfahrung, nachdem sich Gott ihm gegenüber offenbart als „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14) als Zeichen göttlicher Gegenwart.
Generationen danach greift Jesus das Bild des Feuers auf: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen“ (Lk 12,49). Als Messias repräsentiert nun er die Gegenwart Gottes, ist selbst das Feuer, das brennt, aber nicht verbrennt. Der Sohn Gottes ist jedoch nicht gekommen, damit alles beim Alten bleibt. Damit sich die Welt zum Guten ändert, hat er eine Botschaft. Doch seine Botschaft wird für viele Ohren unbequem, führt zum Widerspruch, zum Konflikt.
Jesus nennt eine Reihe von Konfliktbeispielen, zu denen Sie selbst weitere hinzufügen können. Kontroversen kommen ja schon auf, anderen mitzuteilen, einige Tage im Kloster verbringen. Bereits da scheiden sich die Geister. Die einen sagen: „Das ist eine tolle Idee, sollte ich auch einmal machen!“ Andere wiederum denken zumindest: „Wie kann man nur!“
Was wäre, wir würden das Wort Jesu „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen“ hindeuten auf das Erdreich der eigenen Seele? Denn wer dieses Feuer im Innern seiner Seele verspürt, betrachtet die Welt, ja das eigene Leben in einem ganz neuen Licht.
Wer sich als Gast in ein Kloster hineinbegibt, tritt ein in den Bereich der Mystik. „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein“ (K. Rahner), heißt es. Nicht umsonst kommen viele zum wiederholten Mal an diesen heiligen Ort. Gewiss wollen viele erst einmal zur Ruhe kommen, die Seele baumeln lassen, einen Ort vorfinden, wo von einem nichts verlangt wird, man sich nicht zu rechtfertigen braucht.
Zugleich eröffnet sich im Kloster eine neue Weite. Denn Mystikerinnen und Mystiker gewinnen eine neue Nähe, zu allem, was lebt. Auch eine neue Nähe zu sich selbst, was dazu führten kann, das Verhältnis zwischen dem eigenen Ich und der Umgebung auf eine neue Ebene zu führen. Vertrauen, Geborgenheit und Liebe können erfahren werden als bei sich selbst ruhende Wirklichkeiten. Zugleich sind sie aber auch etwas Erstrebenswertes. Gott hat uns eine Liebe in Christus vorgelebt, die weiter gar nicht reichen kann. Diese Liebe einzuholen, ja, dieser Liebe Christi gleichförmiger zu werden, ist ein erstrebenswerte Ziel aller Mystikerinnen und Mystiker.
Geistliche Erfahrungen im Kloster können so einen neuen Schub an eigener Ich-Stärke bewirken, einer Ich-Stärke, die nicht zu Lasten anderer geht, sondern anderen vielmehr zum Segen wird. Vor allem die Erkenntnis, ein Geschöpf Gottes zu sein, nicht allein nur von ihm geschaffen, sondern auch von Gott geliebt zu sein. Diese Überzeugung ins Gebet hineinfließen zu lassen, sich zugleich vom Gebet der Schwesterngemeinschaft getragen zu wissen, führt zu einer heilsamen wohltuenden Geborgenheit.
Jemand brachte es einmal auf den Punkt, was ihm am Aufenthalt im Kloster fasziniert: „Es ist eine Kunst gesunder Lebensführung auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene – das alles mit den Gnadengaben des Heiligen Geistes. Das hat viel mit Mystik zu tun, das Feuer der Mystik ist ganz nah zu spüren!“
Das Schöne ist: Um dieses Feuer müssen wir uns nicht kümmern, es brennt bereits. Es kommt aus der Ewigkeit. Wenn Jesus sagt, „er sei gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen“, dann mögen unsere Sinne wachsen, dieses Feuer auch im Innern unsere Seele lodern zu lassen. Diese Feuer brennt, aber verbrennt nicht, es läutert vielmehr, es verwandelt.
Wie weit die Mystik der Liebe gehen kann, und damit möchte ich schließen, zeigt uns die hl. Gertrud (1256-1302). Die große Mystikerin unseres Landes, Mystikerin von Helfta im heutigen Sachsen-Anhalt, findet im Gebet folgende Worte der Liebe: „Heiligster Jesus, Dein Herz ist ein glühender Ofen der Liebe. Gieße die Gnaden, die Deiner Liebe entspringen, über unsere Seelen aus, und lass unser Herz mit Deinem vereint sein.“
Foto: Abtei vom Heiligen Kreuz Herstelle, e.V.