Dein Wille geschehe

Predigtthema: Dein Wille geschehe
Bibelstelle: Lk 18,1-8 – 29. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C
Datum: 19. Oktober 2025
Kirche: Abteikirche Heilig Kreuz, Herstelle

Liebe Schwestern und Brüder!

Schön, wie Jesus in Gleichnissen redet, in leicht verständlichen Bildern. Und dennoch wollen diese Gleichnisse in die Lebenspraxis umgesetzt sein. Bis das gelingt, kann es dauern.

Es gibt Leute, für die ist Beten nicht selbstverständlich. Aber selbst jene, für die es nicht selbstverständlich ist, fangen in ihrer Not an zu beten. Ob man dazu nun die Redewendung „Not lehrt beten“ heranzieht oder nicht. Diese nicht selten strapazierte Lebensweisheit ist längst in der Heiligen Schrift unter Ps 81 vorzufinden.

Gebetserhörungen und das Einlösen von Gelübden stehen in enger Beziehung. So manches Wegekreuz oder Kapellchen wurde durch ein solches Einlösen errichtet. Auch die Oberammergauer Passionsspiele sind die Frucht eines Gelübdes. Soziale, caritative, diakonische Projekte fanden durch Einlösungen verschiedener Gelübde ebenso ihre Unterstützung.

Nicht ausgeschlossen, dass jemand von uns sich in einer Notsituation vorfand. Es grenzt an ein Wunder, da herausgekommen zu sein. Irgendwie hat der Himmel geholfen.

Das ist das Motiv des eben gehörten Gleichnisses. Jeus stellt eine beklagenswerte Witwe vor Augen. Wir sollen von ihr lernen, von ihrer Hoffnung, aber auch von ihrer Hartnäckigkeit. Denn wenn schon das beharrliche Bitten einer hilflosen Witwe selbst einen ungerechten Richter beeinflusst, um wie viel mehr wird unser ausdauerndes Gebet Erhörung finden beim gerechten und liebenden Gott, so die Botschaft Jesu.

Doch es gibt auch die andere Erfahrung: Wie oft wurde im Gebet der Himmel bestürmt und es hat sich nichts verändert, jedenfalls nicht in dem Sinn, wie man es sich vorstellt. Auch das gehört zu unserer Lebenswirklichkeit: die Enttäuschung, das Gefühl der Leere, die Gottverlassenheit.

Als Christen finden wir uns wieder im Vaterunser. Jesus weiß um unser Angewiesen sein auf Gott. Deswegen führt er in seinem Gebet eine Reihe von Bitten auf: die Bitte um das tägliche Brot, die Bitte um Vergebung und schließlich die Bitte, nicht in Lebenssituationen zu geraten, mit denen wir nicht zurechtkommen, also die Versuchung.

Im Vaterunser beten wir auch: „Dein Wille geschehe.“ Jesus wird in seiner Leidensstunde auf diese Weise beten: „Herr, nicht mein Wille geschehe, sondern der deine.“

Mystikerinnen und Mystiker vermitteln uns: Wer so betet, spürt in sich eine verwandelnde Kraft. Verwandeln? Da ist allerdings jemand, der sich nicht zu verwandeln braucht: Gott selbst! Er ist und bleibt die Liebe schlechthin. In seiner schöpferischen Liebe bleibt Gott einem jeden nahe – auch in aller gottverlassenen Leere.

Doch da wäre noch jemand, der sich zu ändern hat: Das Ich, mein Ego, welches so hartnäckig daraufsetzt, dass nur mein Wille der Maßstab für jede Erfüllung ist, und nichts anderes. Das Vaterunser setzt jedoch genau entgegengesetzte Maßstäbe. Das Maß aller Dinge ist der Wille des himmlischen Vaters. Wer seine Beziehung zu Gott auf diese Weise pflegt, so will uns das Gleichnis Jesu lehren, der weiß, dass das Bittgebet nie umsonst ist, auch wenn sich die Hilfe Gottes ganz anders darstellt.

Erfahrungen dieser Art verdichten sich in der Krankenhausseelsorge. Eine Eintragung in einem ausliegenden Buch im Raum der Stille hat mich sehr berührt: „Gott, Du weißt, wir haben um unseren lieben Tobias lange gebangt. Als Eltern hofften wir, ihn lebend in unseren Händen halten zu können. Doch nun sind unsere Hände leer. Bei allem tiefen Schmerz: Dein Wille geschehe! Wir hoffen auf Trost und wir bitten: Halte Du, Gott, unseren über alles geliebten Tobias ganz lieb in Deinen Händen. Wir wissen, bei Dir ist er bestens aufgehoben.“

Foto: Wolfgang Guttmann

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