Was hat dieser Mensch Jesus denn verbrochen?

Predigtthema: Was hat dieser Mensch Jesus denn verbrochen?
Passion: Lk 22,14 – 23-56
Datum: 13. April 2025 – Palmsonntag
Kirche: Abteikirche Heilig Kreuz, Herstelle

Liebe Schwestern und Brüder!

„Was für ein Verbrechen hat er denn begangen?“ (Lk 23,22). Diese Frage des Pilatus fließt ein in eines der bekanntesten Kirchenlieder in der Karwoche: „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“ Ende des 19. Jahrhunderts stellt diese Frage auch eine junge Frau. Wie sie heißt, das weiß sie selbst noch nicht einmal. Denn als 6- bzw. 7-Jährige wird sie von arabischen Sklavenhändlern entführt. Wegen vieler traumatischer Erfahrungen konnte sie sich an ihren Namen nicht mehr erinnern. Die im Sudan Geborene nannte man schließlich Bakhita, was so viel heißt wie „Glück gehabt“.

Über acht Jahre wurde sie auf sudanesischen Sklavenmärkten mehrere Male verkauft. Auf schlimmste Weise wird sie misshandelt. Als Sklavin landet sie schließlich bei einer Familie eines italienischen Konsuls. Endlich hat sie das Empfinden, ohne Bedrohung in einer kultivierten Familie leben zu dürfen. Da die Familie beruflich auf Dauer in den Nahen Osten übersiedelt, wird Bakhita einem Frauenkloster übergeben. In diesem Kloster, das sich vornehmlich um Waisen kümmert, fühlt sich Bakhita sehr wohl.

Sie erfährt hier in gelebtes Christentum. Sie bekommt mit, wie wichtig das Kreuz für Christen ist. In ihr steigt die Frage auf: „Was hat dieser Mensch Jesus denn verbrochen, so schlimm behandelt zu werden?“ Die Schwestern erklärten ihr, einzig aus Liebe zu den Menschen sei Jesus so gestorben.

Diese Einsicht verändert das Leben der jungen Bakhita drastisch. Von nun an will sie nur noch diesem Herrn, diesem Sohn Gottes, dienen und ihm auf ihre Weise für seine große Liebe danken. Sie sagt auch: „Würde ich den Sklavenhändlern noch einmal begegnen, die mich verschleppten und denen, die mich misshandelten, würde ich mich niederknien und ihnen die Hände küssen. Denn wenn das alles nicht passiert wäre, würde ich heute keine Ahnung von Jesus haben, und ich hätte nie diese Ordensschwestern kennengelernt.“

Mit ihrer Taufe erhält sie den Namen Josefine. Da sie bei den Schwestern bleiben möchte und Ordensschwester wird, ist es gleichzeitig ihr Ordensname. In Schio, östlich des Gardasees erhält Josefine eine neue Aufgabe. Die Menschen dort lieben sie. Josefine Bakhita stirbt 1947. Zu Tausenden kamen sie zu ihrer Begräbnisfeier. Als „Nostra Madre Moretta“, als „Unsere kaffeebraune Mutter“ wurde sie von den Gläubigen zutiefst verehrt.

Als Opfer des Menschenhandels und als Ordensfrau spricht Papst Johannes Paul II. die Sudanesin Josefine Bakhita im Oktober 2000 heilig. In Hamburg ist sie seit wenigen Jahren hl. Patronin einer neugegründeten Pfarrei. In den Herzen der Gläubigen wird ihr Gedenken in unserer Zeit fortgesetzt.

Mit tiefem Schmerz denken beim Hören der Leidensgeschichte Jesu an jene, die auch in diesen Tagen entführt, gefangen gehalten und misshandelt werden, obwohl sie anderen nie etwas angetan haben.

Das Leiden Jesu, entwürdigend bis hin zur Schmerzgrenze, bewegt Menschen aller Generationen und Epochen. Bemerkenswert: Jesus ruft nie dazu auf, ihn als Schmerzensmann zu verteidigen. Im Gegenteil: Frauen sehen ihn auf seinem Leidensweg, beklagen ihn, weinen um ihn. Doch der Sohn Gottes ruft ihnen zu: „Weint nicht über mich, weint über euch und eure Kinder“ (Lk 23,28).

Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen? Zusammen mit der hl. Josefine Bakhita danken wir Dir für Dein göttliches Zeugnis selbstloser Liebe.

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